Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VIII. Der Krieg u.s. Recht. 4. Die Kriegsführung u.ihreMittelim Land-u. Seekriege. s25 
LKO. A. 49. 5ı. Handlungen von Individuen sollen nicht an der Bevölkerung 
strafrechtlich, zumal durch Strafgelder geahndet werden, es sei denn, daß diese 
dafür verantwortlich gemacht werden kann, LKO. A. so. Die fiskalischen 
Liegenschaften unterliegen der Nutzung und dem Fruchtgenuß des Militär- 
gouvernements, eine Veräußerung oder Verschuldung wäre ohne rechtlichen 
Effekt, LKO. A. 55. Endlich steht der vordringenden Kriegsmacht es zu, 
sofern die Bedürfnisse des Heeres es erheischen, den Gemeinden und Ein- 
wohnern Naturalleistungen und Dienste nach dem Prinzipe der Zwangs- 
enteignung, also gegen Bezahlung, oder wenigstens, behufs Feststellung der 
Tatsache, gegen Empfangsbescheinigung aufzuerlegen (Requisitionen). Er- 
forderlich ist die Ermächtigung des Befehlshabers der besetzten Gebiete, 
LKO. A. 52. 
VII. Während im Landkriege die Kriegführung sich auf territorial ge- 
schlossenem Kriegsschauplatz bewegt, fehlt es im Seekriege an jeder räumlichen 
Abgrenzung für die militärische Aktion. Die Gewaltmittel gegen Person und 
Güter des Feindes sind unermeßlich wie der Ozean selbst, insoweit nicht die 
oben verzeichneten schlechthin verwerflichen Hostilitäten in Frage kommen. 
Befahren neutrale Fahrzeuge die Meereszonen, auf denen sich kriegerische 
Operationen vollziehen, so tragen sie die Gefahr. Über die Verwendung von 
Seeminen, eine Frage, die nach den Schiffskatastrophen des russisch-japanischen 
Krieges von 1904/05 eine den neutralen Seeverkehr inhohem Maße beunruhigende 
Gestalt angenommen hatte, sind durch die zweite Friedenskonferenz von 1907 
die notdürftigsten Festsetzungen getroffen worden; freilich nur als vorläufige, 
erst allmählich durchzuführende, nur die vertragenden Teile bei Kriegen unter 
sich bindende. Hienach ist die Verwendung von selbsttätigen Kontaktminen 
zugelassen und auch jenseits des Küstenmeers nicht ausgeschlossen. Immer 
aber müssen solche verankert, auch so beschaffen sein, daß sie bei Losreißung 
blind werden und müssen treibende Minen ganz kurzlebig (eine Stunde) sein. 
Für die Sicherheit der friedlichen Schiffahrt sind Vorsichtsmaßregeln dans la 
mesure du bossible zu treffen und im einzelnen festgestellt, HC. VIII. Im Wasser- 
gebiete der Kriegführenden dürfen nach Analogie dessen was der Landkrieg 
gestattet, neutrale Seeschiffe im Falle militärischer Notwendigkeit für Zwecke 
der Kriegführung gegen Entschädigung herangezogen werden (Fall Duclair im 
deutsch-französischen Kriege von 1870/71), wofür die Doktrin aus dem römi- 
schen Recht den Ausdruck jus angariae beibehalten hat. Dagegen die Frei- 
heit des Meeres, als der allgemeinen Heerstraße der Nationen, ist für die 
Kriegsmarinen unantastbar. Auch Nachrichtenaustausch durch Leitungs- 
und Funkentelegraphie ist dort frei und lediglich innerhalb des Küstenmeeres 
und des Blockaderayons dürfen die am feindlichen Ufer landenden Leitungen 
abgesperrt, abgeschnitten, aufgefangen werden. Auf der hohen See können 
den neutralen Schiffen von den kämpfenden Mächten keine Vorschriften erteilt, 
keine Requisitionen angesonnen werden. Jene haben keine anderen Rück- 
sichten zu nehmen als die durch die Neutralitätspflicht ihres Flaggenstaates 
auferlegten, von denen alsbald die Rede sein soll. 
Das Meer als 
Kriegsschau- 
platz.
	        
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