VIII. Der Krieg und sein Recht. 5. Die Neutralität. 529
nicht ändern, HC XIII Prooemium. In Ermanglung solcher Festsetzungen
greifen also die neuen Regeln Platz, selbstverständlich immer nur für die bei-
tretenden Staaten in den Kriegen unter sich. Die Regeln gehen wesentlich
dahin: die Aufenthaltszeit in neutralen Häfen oder Küstengewässern beträgt
24 Stunden und verlängert sich nur im Falle der Seenot, unerläßlicher Repa-
raturen von Havarien, auch der Einnahme von Lebensmitteln und Feuerungs-
material, um die hierfür notwendige Frist. Versorgung mit Lebensmitteln in
normalem Umfange wird unbeschränkt zugelassen; mit Feuerungsmaterial
— der eigentliche Punkt des Anstoßes — nur in beschränkten Quantitäten.
Höchstens drei Kriegsschiffe der nämlichen Flagge dürfen zugelassen: werden.
Befindet sich im Hafen gleichzeitig ein feindliches Handelsschiff oder gehören
die zugelassenen Kriegsschiffe beiden Parteien an, so sind Auslauffristen fest-
zusetzen. Kriegsschiffe, die, gleichviel aus welchem Grunde, die gestattete
Aufenthaltszeit nicht einhalten, werden von der neutralen Regierung des-
armiert und mit der Besatzung festgehalten; eingebrachte Prisen befreit;
Lazarettschiffe nicht als Kriegsschiffe behandelt, HC X A. ı.
III. Durch neutralitätswidrige Handlungen von Privatpersonen im Lande Unneutrales
oder gar außerhalb seines Machtbereichs wird die Neutralität ihres Staates an on
sich nicht kompromittiert. Eine Verantwortlickkeit für ihr Tun oder Uhnter-
lassen kann der Regierung nicht angesonnen werden. Sie handeln auf eigne
Gefahr, HC V A. ı7. Daß den Staat seine Neutralität verpflichte, dagegen
mit Zwangsmaßregeln einzuschreiten, Strafen anzudrohen, wird zwar in neuester
Zeit durch die Theorie lebhaft befürwortet, ist aber nicht geltendes Recht.
Insbesondere ist er nicht dafür verantwortlich, wenn Leute einzeln die Grenze
überschreiten, um bei einem Kriegführenden militärische Dienste zu über-
nehmen, HC V A.6. Er ist nicht verpflichtet-, Ausfuhr- oder Durchfuhr-
verbote solcher Waren zu erlassen, welche für ein Heer oder eine Flotte nütz-
lich sein können; weder im Landkriege, HC V A.7, noch im Seekriege,
HCXIHIA.7. Er ist nicht gebunden, den Belligerenten die Benutzung seiner
Telegraphenleitungen zu versagen, HC V A. 8. Und wenn neutrale Privat-
personen sich an Kriegsanleihen oder Lieferungen für Kriegführende beteiligen
oder in deren Zivildienst treten, wird dies ihnen überhaupt nicht als unneutral
angerechnet, HC V A. 18.
IV. Soweit Neutralitätspflichten nicht bestehen, gilt für jede der neutralen Die Neutralitäts
Mächte in ihrem: Verhalten zu jedem der streitenden Teile die Freiheit des "“"*
Friedenszustandes. Nur tritt diese unter das Gesetz der Unparteilichkeit,
HC V A.9. XIII Prooemium und A. 9. Eine differentielle Behandlung der
Kriegsgegner würde die Neutralität kompromittieren.
Demgemäß verwandeln sich die allgemeinen Befugnisse, welche die Völker-
rechtsgesellschaft ihren Mitgliedern zu Lande und auf dem Meere zuspricht,
während des Kriegszustandes, gegenüber den streitenden Mächten, in die
Rechte der Neutralen. Diese sind von beiden kämpfenden Parteien zu respek-
tieren. Sie bilden. die rechtlichen Schranken ihrer militärischen Aktionen. Sie
sind für alle neutralen Staaten die gleichen, und eine differenzierende Be-
Kultur der Gegenwart. I]. 8. 2. Aufl. 34