Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Lie Frisen- 
gerichtsbarkeit. 
Der 
internationale 
Prisenhof. 
538 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
Durchsuchung der Schiffsräume eintreten zu lassen. Die Visitation ist mit 
tunlichster Rücksicht, ohne unnötige Belästigung und Verzögerung vorzu- 
nehmen. Erscheint nach alledem der Verdacht der Neutralitätswidrigkeit hin- 
reichend begründet, so wird das Schiff mit Beschlag belegt. Widerstand gegen 
rechtmäßige Ausübung des Anhaltungs-, Durchsuchungs-, Beschlagnahme- 
rechts hat die Einziehung des neutralen Schiffes und etwaiger feindlicher 
Ladung zur Folge, LD A. 63. 
Das in Beschlag genommene Fahrzeug ist nach einem Hafen des Nehme- 
staates aufzubringen, dessen zuständige Prisengerichte, im Instanzenzuge, 
nach Maßgabe ihres eigenen Landesrechtes oder etwaiger Staatsverträge, 
subsidiär nach gemeinem Völkerrecht den Tatbestand und seine Folgen rechts- 
kräftig festzustellen, die Prise zu kondemnieren oder freizugeben haben. Wird 
die Zulässigkeit der Beschlagnahme durch einen Schiffs- oder Ladungsinter- 
essenten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bestritten, so nimmt das 
prisengerichtliche Verfahren den Charakter eines öffentlich-rechtlichen An- 
fechtungsverfahrens (nach deutscher Terminologie) an. Die nehmende Kriegs- 
macht ist beklagte Partei. Der Reklamant hat die Illegalität der Kaptur zu 
beweisen. Sein Anspruch ist auf Aufhebung der Beschlagnahme und eventuell 
auf Schadensersatz gerichtet. Das Verfahren (vorbereitendes, Entscheidungs-, 
Beweis-, Rechtsmittelverfahren) steht lediglich unter den Gesetzen des 
Nehmestaates. 
An diesen harten, immer aufs neue den Widerspruch herausfordernden 
Grundsätzen hat nun aber die Haager Konvention über den Prisenhof vom 
18. Oktober 1907 eine umwälzende Änderung vorgenommen. Allerdings läßt 
sie die nationale Prisengerichtsbarkeit und ihr Recht bestehn, mag es sich um 
Seebeute, mag es sich um neutrales Eigentum handeln, HCXII A. 1.2.6. Aber sie 
eröffnet dem Beschwerten die Wohltat eines Rechtsmittels gegen deren kondem- 
natorische Entscheidungen durch Einlegung eines ‚„Rekurses‘‘ an den inter- 
nationalen Prisenhof. Damit ruft sie eine internationale Prisenjustiz ins Leben. 
Diese kommt, wie oben bereits bemerkt, unter Umständen sogar einem feind- 
lichen Reklamanten zugute. Aber ihr Hauptobjekt bilden die Prisenstreitig- 
keiten zwischen Neutralen und Kriegführenden. Für diese nun sind in der dem 
Prisenhof zugeteilten Gerichtsbarkeit zwei Punkte von höchster Bedeutung. 
Beide stellen ein völliges Novum in der Staatenwelt dar. Einmal nämlich be- 
halten die neutralen Regierungen sich das Recht vor, sobald die von der 
Beschlagnahme betroffenen Schiffs- oder Ladungsinteressenten ihre Nationalen 
sind, deren Sache vor dem Prisenhof zu ihrer eigenen zu machen und eventuell 
selbst als Prozeßpartei aufzutreten, HC XII A.4 nr. ı. Das wäre also ein 
Fall obligatorischer Schiedssprechung, s. o. S. 504. Wichtiger noch ist der 
zweite Punkt. Dem internationalen Prisenhof wird die Zuständigkeit gewährt, 
im Rekursverfahren, mag es von einem neutralen Privaten, mag es von einer 
neutralen Regierung betrieben werden, landesrechtliche Normen des beklagten 
Staates über Prisenrecht an neutralem Gut, materiellrechtliche wie prozeß- 
rechtliche, HC XII A. 7 al.5, dann außer Anwendung zu lassen, wenn solche
	        
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