Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Der Tranusport- 
dienst. 
Die Krieg- 
konterbande. 
540 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
stellt. Denn auf der staatenlosen See sind die kämpfenden Mächte darauf 
angewiesen, sich selbst gegen Eingriffe in ihre Kriegführung seitens neutraler 
Schiffe zu schützen. Deren Flaggenstaat wäre nicht in der Lage, ihnen den 
erforderlichen Schutz zu gewähren und zu verbürgen. Aber die hierfür ent- 
faltete militärische Gewalt dient lediglich dem Zwecke, die Rechtsschranken 
aufrechtzuerhalten, die dem neutralen Seeverkehr im Kriege gesetzt sind. 
Diese Schranken sind im Prinzip festbestimmt und unverbrüchlich. Ein 
Hinübergreifen über sie seitens des Kriegführenden wäre eine Neutralitäts- 
verletzung des dadurch geschädigten Staates. Und nur innerhalb des durch 
sie umgrenzten Spielraums ist der neutrale Seehandel legitim. Die völker- 
rechtliche Ordnung hat in jahrhundertlanger Entwicklung, wie oben gezeigt, 
drei an die Neutralen gerichtete Verbote zu spezialisierter Ausgestaltung ge- 
bracht. Durch die Londoner Seekriegsrechtsdeklaration von 1909 ist diese 
Entwicklung zu vorläufigem Abschluß gekommen. 
Ill. An erster Stelle steht das Verbot eines Transportes, der dem Belli- 
gerenten in freiwillig übernommenem Auftrag, oder in der erkennbaren Ab- 
sicht, ihm bei der Kriegführung zu dienen, geleistet wird. Entscheidend ist 
also das Wissen oder schuldhafte Nichtwissen des Schiffsführers oder Reeders 
oder Charterers. Ein Fahrzeug, das bei solcher eklatanter Neutralitätswidrig- 
keit betroffen wird, leistet unmittelbar Kriegshilfe und kann der geschädigten 
Partei gegenüber nicht die Freiheit der neutralen Flagge geltend machen. Es 
ist der Einziehung unterworfen. Die zahlreichen unter das Verbot fallenden 
Akte hat man früherhin mit einem irreführenden Ausdruck als contrebande 
par analogie (uneigentliche Konterbande) begreifen wollen. Die Londoner 
Deklaration hat unter der zusammenfassenden Bezeichnung Assistance hostile 
(neutralitätswidrige Unterstützung) die einzelnen Fälle abstufend spezialisiert 
und von dem Konterbandhandel scharf geschieden, LD A. 45. 46. 
IV. Als neutralitätswidrig ist der neutralen Schiffahrt verboten die beim 
Betrieb des Seeverkehrs, gleichviel in welcher Absicht, erfolgende Zufuhr von 
Kriegsbedürfnissen an das feindliche Land. Sie bildet den Tatbestand der 
Kriegskonterbande und unterliegt der Abwehr seitens der geschädigten Kriegs- 
macht, deren Kreuzer auf hoher See oder in den Gewässern der Belligerenten 
zur Beschlagnahme des betroffenen Schiffes ermächtigt sind. Begrifflich handelt 
es sich also um zweierlei Dinge: einmal um bestimmte an Bord des neutralen 
Schiffes befindliche Güter; aber auch das ganze Schiff kann, wenn es als 
Kriegsmittel, geschleppt oder selbständig fahrend, zugeführt wird, Konterbande 
sein. Das zweite begriffswesentliche Moment ist das Ziel des Transports; solches 
kann nur ein feindlicher oder vom Feinde besetzter Hafen oder etwa ein feind- 
liches Geschwader sein. Vollendet ist der Akt des Konterbandierens durch die 
tatsächliche Beförderung der Güter vom Einschiffungshafen nach dem Ziel. 
Mit Beendigung der Reise oder mit Löschung der Ladung ist die Neutralitäts- 
widrigkeit getilgt. Bei freiwilliger Herausgabe der beanstandeten Artikel kann 
dem angehaltenen Schiffe die Aufbringung erlassen werden; die spätere prisen- 
gerichtliche Kontrolle fällt damit nicht fort. Schwierig ist die Frage, ob eine
	        
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