Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Das 
Konterbande- 
regement 
542 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
für deren Herrichtung. Ihnen ist der Konterbandcharakter sozusagen an der 
Stirn geschrieben. Sie sind absolute Konterbande, und es ist unerheblich, an 
welchem Punkte der feindlichen Küste sie ausgeschifft werden sollen und ob 
der dortige Empfänger eine Behörde oder eine Privatperson ist. Logik und 
Gerechtigkeit fordern nun aber, daß auch solchen Gegenständen, die zwar 
an sich zur militärischen Ausrüstung nicht gehören, die aber tatsächlich ge- 
eignet sind, für den Dienst der feindlichen Armeen, Flotten, Stationen, Stütz- 
punkte verwendet zu werden, also: Geld, Pferde, Lebensmittel, Kohlen, Schiffs- 
materialien, Maschinen, dann kein günstigeres Schicksal bereitet werde als der 
absoluten Konterbande, wenn ihnen im Einzelfalle eine militärische Bestim- 
mung gegeben wird. Denn dann leisten sie nicht minder Kriegshilfe und 
können wichtiger sein als Geschütze und Panzerplatten. Auch diese ‚res anti- 
cipitis usus‘‘ sind also Konterbande, aber freilich nur bedingte (die deutsche 
Rechtssprache nennt sie relative). Ihr Konterbandcharakter hängt ab von 
dem speziellen Verwendungszweck, dem der Transport dient. Er ist zu folgern 
aus der örtlichen Destination, die die Ware im konkreten Falle erhalten hat. 
Nur nach gewissen Punkten des feindlichen Machtbereichs ist die Beförderung 
versagt, weil neutralitätswidrig. An sich steht ihrer Verschiffung nach den 
Häfen des Feindes nichts entgegen. Welche einzelnen Artikel nun aber unter 
jede der beiden Kategorien gestellt werden, welche als unverfänglich gelten 
sollen, darüber entscheidet in völkerrechtlicher Freiheit der kriegführende 
Staat nach pflichtmäßigem Ermessen, das in seinen Reglements, etwaigen 
Staatsverträgen, schließlich in seiner prisengerichtlichen Praxis zum Ausdruck 
kommt. Indessen gerade diese Freiheit der Belligerenten nimmt !jenen Ab- 
stufungen in der Konterbandqualität einen großen Teil ihres Wertes. Tatsäch- 
lich ist der Kriegführende in der Lage jene von ihm selbst gezogenen Grenzen 
zu verschieben, zu verwischen. Darf er im Seekriege jedesmal kraft eigenen 
Rechtes entscheiden, ob der Neutrale ‚‚ad bellum necessaria hosti administrat‘; 
darf er also die Befugnis in Anspruch nehmen, nach Maßgabe seines Interesses 
an möglichst unbehinderter, schneller Erreichung seines konkreten Kriegszieles 
gegen einen konkreten Feind, lediglich von sich aus festzusetzen, welche 
Ladungen er als absolute, welche er als relative Konterbande behandeln werde, 
so ist damit der Seehandel der Neutralen ständiger Gefahr ausgesetzt. Sie 
wissen niemals, woran sie sind. An zweierlei Warengattungen ist in dem 
jüngsten großen Seekriege, dem russisch-japanischen von 1904/5, diese Gefahr 
aktuell geworden. Dem nachdrücklichen Protest der neutralen englischen 
Regierung gelang es, von Rußland das Zugeständnis zu erwirken, daß Lebens- 
mittel (Reis) nur als bedingte Konterbande betrachtet werden würde. In Be- 
ziehung auf Kohlen blieb Rußland damals auf seinem entgegengesetzten Stand- 
punkt stehn (30. September 1904, Staatsarchiv 72 S. 46. 50). 
Es ist das unvergängliche Verdienst der Londoner Seekriegsrechtskonferenz 
gewesen, solcher Verflüssigung des Konterbandrechts in diesem bedeutendsten 
der Londoner Teil ihrer Verhandlungen einen Riegel vorgeschoben zu haben. Die auf der 
Deklaration. 
zweiten Haager Friedenskonferenz von 1907 abgebrochenen Beratungen über
	        
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