VIII. Der Krieg und sein Recht. 8. Die Beendigung des Kriegszustandes, 547
Desgleichen ist es möglich, daß der Kriegszustand zur Vernichtung der gegne- Debeitatio.
rischen Staatsgewalt führt (debellatio). An deren Stelle tritt nach den Sätzen
des Staatsfolgerechts diejenige der siegenden Partei oder eine von ihr kon-
stituierte. Mit der förmlichen Besitznahme des Landes durch die neue Re-
gierung verwandelt sich die militärische Okkupation in eine staatsrechtliche.
Damit ist der Friedenszustand tatsächlich begründet.
Regel ist die Wiederherstellung von Frieden und Freundschaft durch Per Friedens-
ausdrückliche Willenseinigung der Belligerenten, sei es formlos durch Aus- a.
tausch von Deklarationen, auch wohl Aufnahme eines Protokolls; sei es durch
Abschluß eines Staatsvertrages. Dies ist der normale Fall. Der Friedensschluß
steht unter den allgemeinen Regeln des internationalen Vertragsrechts. Von
allen anderen Staatsverträgen aber hebt er sich ab durch die ihm innewohnende
besondere Unverbrüchlichkeit. Denn begrifflich ist er stets auf ewig, d. h. mit
ausgeschlossenem Kündigungsrecht eingegangen. Ein Frieden auf Zeit wäre
ein bloßer Waffenstillstand. Und zwar begnügt entweder der Friedensvertrag
sich mit der Zurückführung des status quo ante (paix pure et simple); oder
er wird, wie regelmäßig geschieht, mit einer Reihe von Stipulationen ver-
knüpft, die ein unteilbares Ganze bilden: Gebietszessionen, Garantiegewährung,
Ersatz der Kriegskosten und Übernahme sonstiger Verbindlichkeiten, insbeson-
dere Schuldübernahme, Wiederherstellung früherer Verträge. Immer aber wird
durch ihn, soweit diese Bestimmungen reichen, ein neuer Rechtszustand zwi-
schen den Kontrahenten begründet. Er beseitigt den Kriegsgrund, und die
Nichterfüllung der darin gegebenen Zusagen ist nicht Friedensbruch, sondern
Vertragsverletzung.
Der geschlossene Frieden macht, und zwar im Zweifel mit der Unter- Wirkung
zeichnung der Urkunde, jeder militärischen Aktion gegen den Gegner sowie den Friedens
gegen Neutrale, ein Ende. Später erfolgende Schädigungen sind zu vergüten,
mit Beschlag belegte feindliche oder neutrale Güter herauszugeben oder zu
ersetzen. Die neueren Friedensschlüsse neigen dazu, überhaupt die kraft des
Seebeuterechts gemachten Prisen, sofern sie noch nicht kondemniert sind,
zurückzugeben. Kriegsgefangene sind zu entlassen, LKO A. 20, sofern sie sich
nicht einer Straftat schuldig gemacht haben.
Auch ohne ausdrückliche Klausel gewährt der Friedensschluß gegen- Amnesstie,
seitige Amnestie in dem Sinne, daß zivil- oder strafrechtliche Ansprüche aus
Handlungen und Maßregeln, die in Ausübung von Feindseligkeiten vorgenom-
men worden sind, selbst wenn sie nicht völkerrechtsgemäß waren, gegen den
feindlichen Staat und seine Angehörigen nicht mehr gerichtsanhängig gemacht
werden können. Ansprüche aus Neutralitätsbrüchen und Neutralitätsver-
letzungen bleiben unberührt.
Dem Definitivfrieden pflegen Präliminarien, in der Regel kombiniert mit Friedens-
allgemeinen Waffenstillstandsverträgen, vorauszugehen. Sie sind entweder P!"inzien.
bloße pacta de contrahendo oder normieren einen provisorischen Rechts-
zustand; oder auch bereits den definitiven, aber unter Vorbehalt einer Er-
gänzung und solennen Bestätigung.
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