II. Die Rechtsgeschichte. 555
Rechtsinhalt zutreffend wiedergegeben und gut konstruiert sei. Und wie hoch
man nun die Summe solcher einzelnen Irrtümer in der herrschenden Juris-
prudenz anschlage: immer bieten sich bei der Erwägung von Zukunftsaufgaben
in dieser besprochenen Richtung der rechtswissenschaftlichen Arbeit nur
Einzelheiten dem Blicke dar.
Dieses Ergebnis erleidet auch keine Anfechtung durch die gelegentliche National-
Forderung einer größeren Beachtung der volkswirtschaftlichen Erwägung nude
innerhalb der spezifisch juristischen Tätigkeit. Man wird hierbei zweierlei
unterscheiden müssen. Einmal kann es der Wunsch sein, daß die Jurisprudenz
zu der Gesellschaftsiehre im allgemeinen in eine bewußtere und klarere Be-
ziehung gesetzt wird, als bisher vielfach geschehen ist. In diesem Sinn hat schon
Lorenz von Stein ‚Gegenwart und Zukunft der Rechts- und Staatswissenschaft‘“
(1876) geschrieben. Das betrifft jedoch die unten noch folgende Aufgabe, das
Recht und seine Wissenschaft in das Ganze der sozialen Einsicht systematisch
einzuschalten. Zum anderen kann in obigem Postulat der Wunsch liegen, die
Weise der technischen Jurisprudenz durch ‚wirtschaftliche‘ Betrachtungen
methodisch zu korrigieren und etwa umzugestalten. In dieser Hinsicht ist u. a.
besonders Dankwardt ‚Nationalökonomie und Jurisprudenz‘“ (1857) zu er-
wähnen. Das würde jedoch grundlegend unrichtig sein. Wie an anderer Stelle
des vorliegenden Werkes (‚Wesen des Rechtes‘‘, D. 2, in diesem Band S. 28)
ausgeführt ist, stehen sich Rechtsordnung und Sozialwirtschaft als bedingende
Form und bestimmte Materie des sozialen Lebens gegenüber. Wie jede andere
formale Unterlage eines bestimmten Gedankeninhaltes, so kann auch das
Recht selbständig für sich erwogen werden, während alle sozialwirtschaftliche
Betrachtung stets unter der logischen Bedingung rechtlicher Regelung steht
in deren Ausführung das soziale Zusammenwirken als solches besteht. Darum
kann die eigene wissenschaftliche Darstellung des Rechtes, als logischer Be-
dingung der volkswirtschaftlichen Erforschung, zwar durch die letztere etwa
eine Illustration und einen ergänzenden Zusatz selbständigen Erkennens emp-
fangen, niemals aber in ihrem Kern und ihrer besonderen Aufgabe grundsätz-
lichen Einfluß erfahren.
Es besteht also in der Art der Arbeit unserer technischen Jurisprudenz
heute kein grundsätzlicher Mangel, in dessen Berichtigung eine erhebliche
Zukunftsaufgabe gesetzt wäre; es kann sich vielmehr hier nur um weitere
Besserung von Einzelheiten handeln. Dies Bild ändert sich mit einem Schlage,
sobald man nach der wissenschaftlichen Klarheit über die methodische Art
selbst fragt und nach einer juristischen Methodenlehre Umschau hält. Juristische
Es war in Wahrheit kein zu hartes Wort, das Zitelmann vor mehreren Jahren "**erlebrr.
gesprochen: ‚Wer darf denn heute wagen, von juristischer Methode zu reden,
von der ja doch offen gestanden niemand etwas Zureichendes weiß?‘
Hier haben wir die eine große Aufgabe der heutigen Rechtswissenschaft.
Es gilt die hier mögliche Theorie immer genauer durchzuführen, überall zu
bewähren und dem allgemeinen Bewußtsein stetig besser zu gewinnen.
II. Die Rechtsgeschichte. Über die Bedeutung und die Aufgaben