Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

E. Die Idee des Rechtes. II. Richtige Moral. 4I 
sind. Sie sollen nicht in einer grundsätzlichen Weise etwa in einen Gegen- 
satz zueinander gebracht werden. Beides ist richtiges Wollen, nur an ver- 
schiedenen Problemen betätigt. Es kommt auch gar nichts darauf an, ob man 
die gemeinsame Gesamtlehre, die dabei der Naturbetrachtung gegenübersteht, 
nun als ‚„Ethik‘‘ oder als ‚‚Moralphilosophie‘‘ oder — am besten — als ‚„Zweck- 
wissenschaft‘‘ oder auch sonstwie bezeichnet; denn es soll hier ja nur betont 
werden, daß bei der Grundfrage nach richtigen Zwecken in der Ausführung 
alsbald die zwei besonderen Aufgaben, die wir nannten, auftreten. 
Es ist somit nicht an dem, daß etwa das Recht nur die äußerliche, be- Recht und 
grenzte und minderwertige Regel darstelle, dagegen die Moral an sich schon Moral. 
einen erhabenen und dem Tadel entrückten Platz einnehme. Vielmehr sind 
beide zunächst begrifflich voneinander abzugrenzen; der Moral fällt die 
Ordnung des Innenlebens zu, dem Rechte die Art des Zusammenwirkens. 
Beide können dann hierbei entweder sachlich wohl begründet oder innerlich 
unrichtig sein. 
Wir müssen also auch für das sittliche Wollen zwischen dem Begriffe 
und der Idee der Moral unterscheiden. Jener grenzt die Sittlichkeit als eine 
Klasse des Wollens ab und trennt sie von dem sozialen Wollen; die Idee be- 
deutet die Aufgabe, den Gedanken der unbedingten Willensreinheit im Innen- 
leben zum leitenden Richtpunkt zu nehmen. 
Der Gegenstand der sittlichen Arbeit sind die wünschenden Gedanken. 
„tr schlug die wilde Gedankenschlacht, den Kampf mit dem Haß und den 
Sorgen.‘‘ Hier gilt es, täglich und stündlich auf der Wacht zu stehen. Unab- 
lässig schleichen die versuchenden Übel heran, aus bedingten Anlässen geboren, 
und umzüngeln des Einzelnen Sinnen und Wünschen. Hier ist die erste, für 
jeden wichtige Aufgabe gestellt, ihrer Herr zu werden, sie im Sinne innerer 
Lauterkeit zu richten und also zur Einheit und Harmonie sie zu führen. 
Wenn so die Idee des freien Wollens, im Sinne der unbedingten Willens- 
reinheit, für die sittliche Betätigung den Blickpunkt der inneren Lauter- 
keit ergibt, so zerlegt sich die besprochene Aufgabe in allgemeingültiger Weise 
nach doppelter Richtung: es muß der besondere Gedanke in der Richtlinie des 
unbedingten Gesetzes des Wollens geleitet werden, und es ist seine Bedingtheit 
und danach sein unterstellter Rang festzuhalten. So ergeben sich zwei Grund- 
sätze der richtigen Moral. ı) Die Wahrhaftigkeit: Es darf kein Gegensatz Grundsitze 
zwischen Sein und Schein bestehen. 2) Die Vollkommenheit: Es darf ns een 
keine Einzelheit im Mittelpunkte des Wollens stehen. 
Dagegen kann die besondere Anweisung für richtiges sittliches Wollen 
immer erst in besonderer Lage für eine bedingt gegebene Frage gesucht werden. 
Wenn statt dessen ausgearbeitete ‚Morallehren‘‘' geboten werden, so kann das 
nur in Anlehnung an die weite Erfahrung des vergangenen Menschendaseins 
und nur in verhältnismäßig allgemeineren Sätzen geschehen. Sie alle müssen 
immer auf das Neue an den reinen Grundlinien der inneren Lauterkeit und der 
ihr entquellenden Grundsätze gemessen werden. Darum ist es möglich, daß 
ein Inbegriff solcher Morallehren mit einem anderen gleichen Sinnes verglichen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.