E. Die Idee des Rechtes. II. Richtige Moral. 4I
sind. Sie sollen nicht in einer grundsätzlichen Weise etwa in einen Gegen-
satz zueinander gebracht werden. Beides ist richtiges Wollen, nur an ver-
schiedenen Problemen betätigt. Es kommt auch gar nichts darauf an, ob man
die gemeinsame Gesamtlehre, die dabei der Naturbetrachtung gegenübersteht,
nun als ‚„Ethik‘‘ oder als ‚‚Moralphilosophie‘‘ oder — am besten — als ‚„Zweck-
wissenschaft‘‘ oder auch sonstwie bezeichnet; denn es soll hier ja nur betont
werden, daß bei der Grundfrage nach richtigen Zwecken in der Ausführung
alsbald die zwei besonderen Aufgaben, die wir nannten, auftreten.
Es ist somit nicht an dem, daß etwa das Recht nur die äußerliche, be- Recht und
grenzte und minderwertige Regel darstelle, dagegen die Moral an sich schon Moral.
einen erhabenen und dem Tadel entrückten Platz einnehme. Vielmehr sind
beide zunächst begrifflich voneinander abzugrenzen; der Moral fällt die
Ordnung des Innenlebens zu, dem Rechte die Art des Zusammenwirkens.
Beide können dann hierbei entweder sachlich wohl begründet oder innerlich
unrichtig sein.
Wir müssen also auch für das sittliche Wollen zwischen dem Begriffe
und der Idee der Moral unterscheiden. Jener grenzt die Sittlichkeit als eine
Klasse des Wollens ab und trennt sie von dem sozialen Wollen; die Idee be-
deutet die Aufgabe, den Gedanken der unbedingten Willensreinheit im Innen-
leben zum leitenden Richtpunkt zu nehmen.
Der Gegenstand der sittlichen Arbeit sind die wünschenden Gedanken.
„tr schlug die wilde Gedankenschlacht, den Kampf mit dem Haß und den
Sorgen.‘‘ Hier gilt es, täglich und stündlich auf der Wacht zu stehen. Unab-
lässig schleichen die versuchenden Übel heran, aus bedingten Anlässen geboren,
und umzüngeln des Einzelnen Sinnen und Wünschen. Hier ist die erste, für
jeden wichtige Aufgabe gestellt, ihrer Herr zu werden, sie im Sinne innerer
Lauterkeit zu richten und also zur Einheit und Harmonie sie zu führen.
Wenn so die Idee des freien Wollens, im Sinne der unbedingten Willens-
reinheit, für die sittliche Betätigung den Blickpunkt der inneren Lauter-
keit ergibt, so zerlegt sich die besprochene Aufgabe in allgemeingültiger Weise
nach doppelter Richtung: es muß der besondere Gedanke in der Richtlinie des
unbedingten Gesetzes des Wollens geleitet werden, und es ist seine Bedingtheit
und danach sein unterstellter Rang festzuhalten. So ergeben sich zwei Grund-
sätze der richtigen Moral. ı) Die Wahrhaftigkeit: Es darf kein Gegensatz Grundsitze
zwischen Sein und Schein bestehen. 2) Die Vollkommenheit: Es darf ns een
keine Einzelheit im Mittelpunkte des Wollens stehen.
Dagegen kann die besondere Anweisung für richtiges sittliches Wollen
immer erst in besonderer Lage für eine bedingt gegebene Frage gesucht werden.
Wenn statt dessen ausgearbeitete ‚Morallehren‘‘' geboten werden, so kann das
nur in Anlehnung an die weite Erfahrung des vergangenen Menschendaseins
und nur in verhältnismäßig allgemeineren Sätzen geschehen. Sie alle müssen
immer auf das Neue an den reinen Grundlinien der inneren Lauterkeit und der
ihr entquellenden Grundsätze gemessen werden. Darum ist es möglich, daß
ein Inbegriff solcher Morallehren mit einem anderen gleichen Sinnes verglichen