E. Die Idee des Rechtes. IV. Juristischer Empirismus. 47
bestimmt zu werden, als berechtigt oder als unbegründet, je nachdem er in seiner
Lage mit dem einheitlichen Grundgesetze des menschlichen Wollens stimmt
oder nicht. Was ich mit Dank gegen Gott genieße, das ist recht und gut, lehrt
Luther in begründetem Gedanken; — so kommt es für die grundsätzliche Güte
eines besonderen sittlichen Wollens auf die formale Grundstimmung des Ob-
jektivierens oder des bloßen Subjektivismus an und für die Richtigkeit von be-
stimmtem sozialen Wollen auf den methodischen Einklang mit dem Grund-
gedanken des sozialen Lebens der Menschen überhaupt. Es kann eine gesell-
schaftlich lobenswerte Tat sein, ein schönes und mächtiges Bauwerk zu
errichten, aber es wird dabei trotz allen ästhetischen Reizes doch sozial un-
richtig zugehen, wenn es mit schnöder Mißachtung des Gemeinschafts-
gedankens erkauft ist, etwa mit Leibeigenschaft oder sonstigem Mißbrauch
von Rechtsgenossen. Dabei ist es für ein systematisch richtendes Urteil
auch ganz gleichgültig, ob die dort Handelnden es selbst zu fällen in der Lage
waren oder vielleicht in einem sozialen Aberglauben sich befanden, entsprechend
solchen, welche die Sonne um die Erde kreisen ließen und es gar nicht besser
wissen konnten, deren Ansicht aber doch eine kritisch begründete natur-
wissenschaftliche Lehre für unrichtig erklären muß.
Alle Eigentümlichkeiten auch des juristischen Empirismus lassen sich in
Allgemeine
Methode und ein-
letzter Linie auf die Vernachlässigung des grundlegenden Unterschiedes von „uns Tatsachen.
Form und Stoff zurückführen (vgl. B.). Dem entspringt die jene Richtung
charakterisierende Meinung, daß aus wissenschaftlich festgestellten einzelnen
Tatsachen im sog. induktiven Wege die allgemeinen Lehren und schließlich
die obersten Begriffe — hier: des Rechtes und der Gerechtigkeit — abzuleiten
und zu begründen seien. Aber gerade der Gedanke der ‚Tatsache‘' bedeutet
schon ein Problem. Etwas als eine Tatsache feststellen, heißt: einen gegebenen
Stoff in eindeutiger Weise nach feststehender Methode bestimmen.
Also setzt jenes die allgemeine Möglichkeit des einheitlichen Einordnens
voraus. Diese formale Möglichkeit ist das logische Prius. Nicht sie istim sach-
lichen Rangverhältnis von einzelnen ‚„Tatsachen‘‘ abhängig, sondern wir
würden die letzteren, als Tatsachen, gar nicht haben, wenn sie nicht unter
einer gleichbleibenden Art des Richtens und Bestimmens bearbeitet wären.
Mithin ist die unbedingt feststehende Methode die notwendige sach-
liche Voraussetzung für ihre Betätigung in der Einzelforschung; und der Ge-
danke der Gesetzmäßigkeit, sowohl der Natur, wie des sozialen Menschen-
lebens, ist nicht von einzelnen ‚Tatsachen‘ logisch abzuleiten und zu begründen,
sondern gerade umgekehrt.
Sonach führen alle Erwägungen, die auch nach der Richtung des Empiris-
mus hin angestellt werden mögen, zu dem Ergebnisse, daß die Frage nach dem
Wesen des Rechtes, und vor allem nach der Möglichkeit grundsätz-
licher Richtigkeit von besonderem rechtlichen Stoffe, in anderer Weise
aufgelöst sein will, als durch bloße Beobachtung von Einzelheiten, deren grund-
sätzliches Bestimmen ja doch nur die besondere Anwendung einer bedingenden
formalen Methode von allgemeiner Geltung sein kann.