Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
10 Otto Hintze 
Oer preußische Name hat Klang und Ansehen in Oeutschland ge- 
wonnen seit der Epoche Friedrichs des Großen. Schon Goethe sprach 
anerkennend von „Wert, Würde und Starrsinn der Preußen“. Seit 
der begeisterten Erhebung gegen Napoleon von 1813, seit den groß- 
artigen Opfern und Leistungen der Freiheitskriege 1813 bis 1815, galt 
Preußen den deutschen Patrioten als der künftige Führer zur beutschen 
Einheit. Diese Einheit hat leider nicht anders verwirklicht werden kön- 
nen als durch die Trennung von den deutschen Bruderstämmen Öster- 
reichs; aber der schmerzhafte Schnitt, der die habsburgische Doppel- 
monarchie von dem neuen Deutschen Reiche trennte, war doch im Grunde 
eine heilsame Operation; er hat eine dauerhafte völkerrechtliche Ver- 
bindung der beiden Mächte ermöglicht, die viel enger und freier von 
Mißverständnissen und Rivalitäten ist, als wenn das alte staatsrecht- 
liche Band in kunstvollem, lockerem Knoten neu geknüpft worden wäre. 
Auch ohne ein solches staatsrechtliches Band ist Deutschland mit Öster- 
reich-Ungarn auf Gedeih und Verderb verbunden; beide halten und 
stützen sich gegenseitig in ihrer Groß= und Weltmachtstellung. Preußen 
aber ist gegenüber der Außenwelt vollkommen eins mit dem übrigen 
Deutschland. 
Oem Ausland wird es schwer, die staatsrechtliche Eigenart des Deut- 
schen Reiches richtig zu verstehen, weil das nur auf dem Hintergrunde 
der verwickelten deutschen Geschichte möglich ist. Man begegnet selbst 
so verkehrten Auffassungen wie der, als seien die übrigen deutschen 
taaten von Preußen unterworfen und zum Bündnis gezwungen wor- 
den. Es hat hicer keinen anderen Zwang gegeben als den, der in dem 
nationalen Willen zur Einheit und in der historisch-politischen Aot- 
wendigkeit des Moments lag. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Pren- 
ßen und den übrigen Bundesstaaten, der größere Bedeutung hätte als 
etwa der zwischen Massachusetts und Virginia. Es ist eine irreführende 
Redeweise, wenn man „Preußen“ und „Deutschland“ einander gegen- 
überstellt; sie rührt aus der Zeit des Rheinbundes her, wo die deutschen 
Länder außer Preußen und Österreich, die unter Mapoleons Protek- 
torat standen, sich gern als „das eigentliche Deutschland“ betrachteten; 
sie wurzelt in der durchaus irrtümlichen Vorstellung, als ob die Preu- 
ßen nicht in ganz demselben Sinne nach Nasse und Kultur Deutsche 
wären wie die Sachsen oder Bayern oder Württemberger. Stammes- 
verschiedenhciten gibt es innerhalb Preußens wie innerhalb Deutsch- 
lands, aber sie sind eine Bereicherung, nicht eine Störung des natio- 
nalen Lebens, und sie hindern die Verschmelzung zu einem einheit- 
lichen Bolkstum in keiner Weise. Im 18. Jahrhundert, zur Zeit Goe- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.