Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
Die deutsche Kolonialpolitik 155 
  
Länder: die Diamanten, hauptsächlich nach Antwerpen, das südwest- 
afrikanische Kupfer nach den Vereinigten Staaten und Belgien, Häute 
und Sisal von Ostafrika nach Nordamerika. Während Frankreich den 
Absatz seiner Erdnußproduktion in den westafrikanischen Kolonien fast 
ganz den französischen Fabriken zuführt, wird z. B. Kakao und Palmöl 
aus Kamerun zum großen Teil nach England verkauft. Der Haupt- 
exportartikel unserer Südseekolonien, die Kopra, geht zum großen Teil 
nach Marseille und anderen außerdeutschen Häfen. Wir dagegen be- 
ziehen diese Rohprodukte in erheblichen Mengen aus anderen Ländern, 
besonders fremden Kolonien, entwickeln damit ihren Ausfuhrhandel 
und schaffen dadurch, daß uns die Einfuhr nicht so leicht gemacht wird 
wie die Ausfuhr, kaufkräftige Märkte für den Absatz der Industrien 
fremder Kolonialstaaten. Mit Recht schrieb der Manchester Guardian 
über diese unsere durchaus liberale Weltwirtschaftspolitik: „Deutsch- 
land empfängt unsere englischen Fabrikate immer mehr indirekt da- 
durch, daß wir sie in Indien und anderen Kolonien absetzen, die das 
Geld dafür durch die Ausfuhr von Rohmaterialien nach Deutschland 
sich beschaffen.“ 
Oie deutsche Weltwirtschaftspolitik steht durchweg auf dem Grund- 
satz des „Leben und Lebenlassens“, gewährt in ihren Interessensphären 
und Kolonien überall dem fremden Handel und Verkehr die offene Tür 
in der Hoffnung, daß der dentsche Handel und Verkehr ebenso liberal 
behandelt würde. Bei so weiten und großen Gesichtspunkten blieb von 
vornherein für eine engherzige koloniale Wirtschaftspolitik kein Ranm! 
Eher das Gegenteil könnte man der deutschen kolonialen Wirtschafts- 
politik vorwerfen, wenn man erwagt, daß die dentschen Kolonien erst 
seit 1893 die Rechte der meistbegünstigten Staaten im deutschen Zoll- 
gebiet erhalten haben, und wenn man des Lobes gedenkt, das der fran- 
zösische Kolonialpolitiker Renty mittelbar unserer kolonialen Verkehrs- 
und Handelspolitik spendet: „Die deutschen Kolonien in Afrika sind 
von Handelsrivalen umgeben, welche von ihrer Untätigkeit profitieren 
werden, um den Markt an sich zu locken und ihren Einfluß im Schatten 
der deutschen Flagge vorherrschen zu lassen.“ 
Aur auf einem Gebiete hat sich die dentsche koloniale Handelspolitik 
allerdings der Mittel einer Kolonisation „à la maniere forte“ zu be- 
dienen versucht, nicht aber, um den deutschen Handel zu bereichern und 
den fremden zu schädigen, sondern um unter Preisgabe wichtiger Han- 
dels= und Finanzinteressen humanitären Zielen und internationalen, 
solidarischen Interessen im afrikanischen Erdteil zu dienen! Oie deutsche 
Regierung steht an der Spitze der Bewegung, die Einfuhr von Brannt-
	        
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