Die deutsche Kolonialpolitit 157
tal wird kein Hindernis in den Weg gelegt. Wo das Kapital aber eine
dem allgemeinen Interesse widerstrebende Richtung einschlug, wie bei
einigen großen Konzessionsgesellschaften, wird mit den gleichen Mit-
teln, die in solchen Fällen auch gegen deutsches Kapital angewendet
werden, durch Vereinbarung und Ablösung, das Abel zu beseitigen
gesucht. Diesen liberalen Bedingungen entsprechend hat sich die An-
lage ausländischen Kapitals in den deutschen Kolonien beträchtlich ent-
wickelt. Von den 506 Millionen Mark Gesellschaftskapital, das zur-
zeit in den deutschen Kolonien arbeitet, kommen nicht weniger als 89 Mil-
lionen Mark auf ausländisches Kapital! Allerdings sieht die deutsche
Regierung darauf, daß Kapitalsanlagen und darauf sich gründende
UAnternehmungen in den Schutzgebieten möglichst solide sind. Eine
„Ständige wirtschaftliche Kommission der Kolonialverwaltung“ steht in
allen Fragen, die das Kapital und seinen Einfluß berühren, der Kolo-
nialverwaltung beratend zur Seite.
Auch auf dem Gebiete des Geld-, Bank= und Kreditwesens
herrschen durchaus liberale Tendenzen. Geldverkehr wird an Stelle
des Tauschhandels überall in den Schutzgebicten eingeführt, ebenso
Bargeldlöhnung an Stelle der Naturallöhnung. Im Zusammenhange
damit steht die Förderung des Marktwesens in den deutschen Kolonien
mit der Absicht, den Eingeborenen einen vorteilhaften Absatz für ihre
Produkte zu verschaffen. Auch auf dem Gebiete des Kreditwesens hat
die deutsche Kolonialverwaltung den Gedanken der sozialen Fürsorge
für die Eingeborenen durchzuführen verstanden, indem sie das die Ein-
geborenen schädigende Kreditgeben der Kaufleute für tropische Pro-
dukte, das sog. Trustwesen, untersagte; ferner dadurch, daß im Anschluß
an bestehende Handelsbanken sowie durch Gemeindeverwaltungen und
Postanstalten Sparkassen errichtet wurden.
Aus all dem Angeführten ergibtsich, wie die allgemeine kolo-
niale Wirtschaftspolitik Deutschlands nicht im geringsten eine
Kolonisation „à la manière forte“ betreibt, sondern in ausgesprochener
Weise eine Kolonisation „à la manière doucc“, denn sic ist frei von
Merkantilismus, d.i. vom Militarismus auf dem Gebiete
der Wirtschaftspolitik. Trotz Ablehnung aller scharfen, andere
Nationen verletzenden Mittel zur Wahrung der deutschen Interessen
hat sie so schöne Erfolge aufzuweisen, daß sie ihre Rechtfertigung in
sich selbst findet und keine Veranlassung hat, von ihren bewährten
Grundsätzen abzuweichen. Namentlich im letzten Fahrzehnt weist dic
wirtschaftliche Erschließung der deutschen Kolonien unter der Herrschaft
dieser Politik eine so rasch aufsteigende Entwicklung auf wic in wenigen