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Kolonien anderer Länder. Das anfangs zurückhaltende Kapital hat sich
immer vertranensvoller mit der wirtschaftlichen Erschließung der deut-
schen Kolonien befaßt, so daß heute über eine halbe Milliarde privaten
Gesellschaftskapitals in den deutschen Kolonien arbeitet. Vor 20 Zahren
waren noch nicht 62 Millionen privaten Kapitals in den deutschen Kolo-
nien investiert. Hat sich das Kapital in diesem Zeitraum fast verzehn-
facht, so hat sich der Umfang des Außenhandels der deutschen Kolo-
nien in derselben Zeit mehr als verzwanzigfacht. Diese glänzenden wirt-
schaftlichen Erfolge sind bei einer völlig liberalen kolonialen Wirt-
schaftspolitik erzielt worden durch die Tüchtigkeit der in den Kolonien
sich betätigenden, hauptsächlich deutschen Kanfleute, Pflanzer und son-
stigen Unternehmer, unterstützt von einer liberalen, weitsichtigen und
für wirtschaftliche Fragen verständnisvollen Verwaltung.
In der Rechtspflege der Schutzgebicte besteht ein Unterschied
zwischen Weißen und Eingeborenen. Daß dieser Unterschied leviglich
der väterlichen Fürsorge für die Eingeborenen seinen Ursprung verdankt
und seine Berechtigung in ihr findet, daß diese Differenzierung der
Rechtssubjekte nicht eine privilegierte Stellung der Weißen als Herren-
rasse bezweckt, wird niemand bezweifeln, der die Grundsätze der Ein-
geborenenbehandlung in den deutschen Schutzgebiecten kennt. Aèber diese
Grundsätze habe ich mich eingehend vor zwei Jahren im Plenum des
Reichstags ausgesprochen und möchte im Rahmen dieser Arbeit das
dort Gesagte wiederholen:
„Oie Eingeborenen sind unsere Schutzgenossen, und die deutsche Re-
gierung hat um dessentwillen die Verpflichtung, die berechtigten Inter-
essen der Eingeborenen zu den ihrigen zu machen. Oenn wir wollen die
Eingeborenen nicht ausrotten, wir wollen sie erhalten. Das ist die An-
standspflich!, die wir mit der Hissung der deutschen Flagge in unseren
afrikanischen Kolonien und in der Südsee übernommen haben. Die
Ausübung dieser Pflicht entspricht auch der Klugheit; denn sie allein
verschafft auch die Möglichkeit vernünftiger Wirtschaftspolitik und da-
mit die Grundlage unserer deutsch-nationalen Betätigung.
Ich will nicht den Satz vom Herrenvolk und von der dienenden Rasse
wiederholen. Ich meine aber, daß der Weiße den Eingeborenen gegen-
über dasteot wie der Vormund zum Mündel, wie der Erwachsenc zum
Minderjährigen. Räumt man z. B. dem Eingeborenen ohne weiteres
die freie Verfügung über seine Ländereien ein, so wird er seine Län-
dereien in kurzer Zeit veräußern, das dafür erhaltene Geld vergenden
und verarmen. Gibt dann die Regierung noch den Genuß von Alkohol
frei, so gesellt sich zur Armut die Verlumpung; die Eingeborenen ver-