Die deutsche Kolonialpolitik °107
tat abgegrenzt. Doch ist das Strafverfahren über Mord und Totschlag
ihnen entzogen. Die Schiedsgerichte bilden außerdem die Berufungs-
instanz für die vor den Häuptlingen verhandelten Sachen. Sämtliche
Sachen können in letzter Instanz zur Entschcidung des Gouverneurs
gebracht werden. Auch im übrigen ist für eine nachprüfende Instanz
gesorgt, wenn es sich um höhere Streitsummen oder größere Strafen
handelt. Die Entscheidung liegt hier beim Gonverneur oder Oberrichter.
Die Zwangsvollstreckung ist auf Vermögeusstücke beschränkt, die der
Schuldner entbehren kann, ohne seine wirtschaftliche Lage zu gefährden.
Stammesvermögen darf in keinem Falle beansprucht werden. Das
Verfahren findet ohne Mitwirkung eines Staatsanwalts statt. Die Ein-
leitung der Strafverfolgung ist in das pflichtgemäße Ermessen der Be-
hörde gestellt. Es besteht also hierzu kein gesetzlicher zwang. Dem An-
geschuldigten steht es in jeder Prozeßlage frei, einen Verteidiger zu-
zuziehen.
Daß die Erwerbung unserer Kolonien Friedensarbeit war und daß
nicht Konquistadorengelüste den Eintritt ODeutschlands in die Reihe der
Kolonialmächte verursacht haben, kann man deutlich auch aus der Ge-
schichte der Entwicklung unserer militärischen Macht in den Schutz-
gebieten ersehen. Als Dentschland an den Erwerb überseeischer Be-
sitzungen herantrat, dachten sich die maßgebenden Stellen ihre Ent-
wicklung rein kaufmännisch und in kaufmännischen Formen, als große
Handels= und Plantagenunternehmungen. Militärische Machtmittel für
diese „charterec Companes“ anzuwenden, hielt man nicht für erforder-
lich und angebracht. Das Reich sagte ihnen lediglich Schutz nach außen
zu, für dic örtliche Sicherheit mußten ihre Polizeisoldaten sorgen.
Dieses System brach bald zusammen. Die Gesellschaften stießen bei
ihren Bestrebungen der friedlichen Erschließung des Landes auf den
Widerstand cingeborener Machthaber oder gerieten, wie z. B. in den
mittelafrikanischen Gebicten, in Konflikt mit den dort seit langen Jahren
Handel treibenden Völkern, deren Raubbau und Sklavenhandel ihrer
Praxis zuwiderlaufen mußten.
Auch den ständigen Kämpfen der eingeborenen Stämme unterein-
ander vermochten die Gesellschaften aus Mangel an Machtmitteln nicht
Einhalt zu tun. Oie Mlöglichkeit ihres Einflusses auf einc ersprieß-
liche Entwicklung ihrer Interessensphäre schwand immer mehr. Die ein-
zelnen Unternehmungen sahen sich bald am Ende ihrer finanziellen
Kräfte angelangt. Das Reich intervenierte und, gestützt auf die ihm
zur Verfügung stehenden Machtmittel. bahnten sich geordnete Ver-
hältnisse an.