Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
12 Otto dintze 
  
Führung und mit militärischem Nachdruck. Diese fundamentale Tat- 
sache erklärt die ganze Form unserer nationalen Existenz. Weil es so 
war, darum mußte Preußen, der stärkste deutsche Staat, die Führung 
übernehmen und behalten; und die preußische Regierung selbst hat die 
militärischen Kräfte für diese große Aufgabe im schärfsten Gegensatz 
gegen die demokratischen Parteien in der Stille vorbereiten müssen. 
Daraus ergab sich die Rotwendigkeit, den monarchisch-militärischen Fak- 
tor im prenßischen Staatsleben stark zu betonen und auch in Zukunft. 
vor parlamentarischer Abermacht sicherzustellen; und die Kronc, die in 
Preußen herrschte, mußte auch im Reiche die Führung haben. So steht 
der Kaiser, ausgerüstet mit der ungebrochenen Macht eines wirklich regie- 
renden Königs von Prenßen, an der Spitze der zum Neiche verbündeten 
Regierungen. Die Nolle des Bundesrats wird im Ausland oft unter- 
schätzt, weil er wenig in der Öffentlichkeit hervortritt; aber der föderative 
Charakter des Reiches ist unangetastet geblieben, solange es besteht. 
Es ist ein Bundesstaat mit starkem individuellem Leben und Bewußt- 
sein in den Einzelstaaten; die unitarische Tendenz ist vielleicht weniger 
mächtig als in der nordamerikanischen Union. Die weitgehende ad- 
ministrative Dezentralisation, die mit dieser Verfassung verbunden ist, 
bedarf freilich des Gegengewichts einer einheitlichen und starken Lei- 
tung der auswärtigen Politik, und diese muß notwendigerweise in den 
Händen des vom Keichskanzler beratenen Kaisers liegen. 
So hat das Reich eine starke monarchische Spitze; und die Gewalt 
des Kaisers ist ebenso wie die des Königs von Preußen nicht die un- 
persönliche Schattengewalt eines parlamentarischen Monarchen, sondern 
eine wirklich lebendige und führende Macht. Das Ausland verbindet 
mit dem Begriff einer persönlichen Regierung gewöhnlich Vorstellungen 
von Willkür, Gesetzlosigkeit und Deispotismus; es kennt unsere Ge- 
schichte und den Geist unserer Institntionen zu wenig, um zu begreifen, 
daß einc freie Verfassung und ein starkes Königtum sehr wohl mit- 
einander verträglich sind. Die englische Verfassung beruht darauf, daß 
alle Volksklassen, geführt von der Aristokratie, das Königtum zur Ohn- 
macht herabgedrückt haben; die unsere hat umgekehrt ihren Kristalli- 
sationskern in der Monarchie, um die herum die verschiedenen Schichten 
der Bevölkerung, Adel, Bürger und Bauern. und auch bereits erheb- 
liche Teile der Arbeiterschast, sich zusammengeschlossen haben, das Ganze 
durchsetzt und zusammengehalten von den Elementen des Beamten- 
tums, des Offizierstandes, des Heeres überhaupt. Dieser Prozeß der 
inneren Bildung unseres Staatswesens ist noch im Fortgang begriffen 
und nähert sich erst jetzt, gefördert durch die großen Ereignisse der Zeit,
	        
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