Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
A. Herkunft und Wesen der deutschen Institutionen 195 
  
Freilich drohte jedem Körper von Berufsbeamten immer wieder die 
Kliquenwirtschaft, die Patronage der hohen Beamten, später die der 
Parlamentsmitglieder, der Schlendrian, die Meigung der Beamten bei 
festem Gehalt und bei nur schwer und selten eintretender Entlassung 
die Gefahr der Bequcmlichkeit, der Mangel an Initiative. Der Be- 
amte soll das höchste Maß von Eifer und Hingebung für Zwecke ein- 
setzen, die sich doch nicht mit seinem natürlichen Egoismus decken. Der 
Ehrgeiz des Karrieremachens genügt nicht als ein ziger Antricb, wenn 
nicht große Pflichttreue, hohe sittliche und intellektuelle Bildung, ein 
starker moralisch-politischer Korpsgeist hin zukommt. 
Oie gesicherte ökonomische Stellung, Gehalt und Pension, das früh 
eintretende Verbot, am Getriebe des Marktes, am Geschäftsleben teil- 
zunchmen, hat die gute Scite, daß der Beamte sich gauz seinem Amte, 
den öffentlichen Interessen hingeben kann, daß er über dic sozialen 
Kämpfe der Klassen hinausgerückt ist. „Das Wesen des Staates und 
des Amtes“ — sagt Ernst Meyer — „ist dic Wahrnehmung des Gesamt- 
wohls gegenüber den Sonderinteressen der besitzenden Klassen.“ Es 
war die weltgeschichtliche Aufgabe des Beamtenstaates, hierfür einen 
Stand zu schaffen, dessen gesamte geistige und seelische Eigenschaften 
sich in den Dienst des Staates stellten, die seine nächsten Interessen 
wie seine Vorurteilc der Amtspflicht unterordneten. Gewiß wurde 
ein solches Ideal ganz nur bei den edleren Naturen in Zusam- 
menhang mit häuslicher Erziehung, Schulwesen und Universitätsbil- 
dung erreicht. 
Immer aber näherte sich das preußische Beamtentum ihm am mei- 
sten im 18. Jahrhundert und dann wieder 1810 bis 1810. Aber auch 
in der Verfassungszeit von 1850 an blieben die ethisch-politischen Vor- 
züge des Beamtentums das geistige und moralische Rückgrat des Staa- 
tes. Nur im Zusammenhang mit großen Zeitereignissen und großen 
geistig-politischen und -moralischen Zeitströmungen und unter der Füh- 
rung großer Fürsten, Generale und Staatsmänner gelang es Preu- 
ßen, sein Beamtentum auf eine hohe Stufe der Leistungsfähigkeit, der 
Integrität, des Zusammenwirkens zu heben. Und in den anderen großen 
Territorialstaaten war die Entwicklung einc ähnliche 1700 bis 1850 ge- 
wesen. Aber sowohl 1786 wic 1820 bis 1850 zeigten sich auch die natür- 
lichen Schattenseiten des Beamtenstaates: das Beamtentum war eine 
regierende Klasse geworden. Das Volk begehrte mit Recht größere Teil- 
nahme an Staat und Negierung; eine konstitutionelle Epoche mußte 
den Beamtenstaat verjüngen, wieder auf höhere Stufen erheben, die 
Konkurrenz mit Adel und Bürgertum nötigte zu neuen Anstrengungen. 
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