Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

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A. Herkunft und Wesen der deutschen Institutionen 
  
sittung und Bildung, eine Annäherung der unteren Klassen und des 
Mittelstandes an die oberen wie nirgends sonst. In Frankreich hat erst 
Gnizot in den 1830 cr Jahren ein halbwegs verbreitetes Schulwesen 
geschaffen; in England hat der Staat erst seit einem Menschenalter 
angefangen, sich um das Schulwesen zu kümmern. Oie geistige und wirt- 
schaftliche Berkümmerung der unteren Klassen in England von 1750 
bis 1870 hängt damit enge zusammen. — Oie Generation, die heute 
in Enropa die Führung hat, ist 1850 bis 1870 geboren. In den 60er 
Jahren gingen in Preußen von den Kindern von 6—14 Jahren nur 
4 %, in Frankreich 20 %, in England 25 00, in Rußland 90 0% noch in 
keine Schnle. 
Oic größten sozialen Reformatoren aller Zeiten sahen die politische 
und gesellschaftliche Bedentung der Volksschule ein. Wic Solon die 
attischen Schulen dem größeren Teile des Volkes zugänglich machen 
wollte, so hat Robert Owen den Schwerpunkt der sozialen Reform in 
Schulen für die Arbeiterkinder gesehen, so verlangen die besten eng- 
lischen Verwaltungsbeamten Indiens Schulen, um das Kastenwesen 
von innen heraus zu beseitigen. Weitgehende politische Rechte, Demo- 
kratisierung der Verfassung ohne Sorge für einc gute Volksschule sind 
ein politischer Widersinn, wenn nicht eine Torheit oder ein Verbrechen. 
Und zur Volksschule müssen die Fortbildungsschule, die Gewerbe= und 
Fachschule für das Volk kommen. Erst auf diesem Untergrundec banen 
sich dann das höhere Schulwesen, die Universitäten, dic technischen und 
Handelshochschulen richtig auf. Und gerade auch in dieser Richtung 
hat keine Aation der Welt größere Fortschritte gemacht als Deutschland 
von 1850 bis heute. Wir werden ohne übertreibung sagen können: 
nur ein breites, gutes Schul= und Bildungswesen von unten herauf 
bis in seine höheren Ausgestaltungen gebe heute die Möglichkcit des 
Aufsteigens der Talente in den unteren Klassen, gebe eine gewisse Frei- 
heit der Berufswahl, näherc alle sozialen Klassen untereinander, schlage 
Brücken über den Abgrund, der das Volk von der Aristokratic trennt. 
Im heutigen deutschen Hcere erhalten die 110000 Untcroffizicrc, die 
mit der Volksschulbildung als Soldaten eingetreten sind, durch den 
ihnen als Untcroffizicren gebotenen Unterricht die Möglichkeit und das 
Recht, mit dem 32. Jahre in die unteren und mittleren Stellen des 
Heeres-, Staats= und Gemeindedienstes zu treten. Dieser Dienst erhältso 
½K bis ½ Million ausgezeichneter Beamten, von denen bis 1860 viele 
in die oberen Karricren übergingen, deren Söhne und Enkel auch heute 
noch zu einem großen Teil in die oberen Schichten der Beamtenschaft 
aufstcigen. Bis 1831 das Gymnasialabgangszeuguis eingeführt wurde
	        
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