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und von da an mehr und mehr als Bedingung für die Anstellung in
allen oberen Amtsstellen galt, also bis 1840, sind viele der zahl-
reichen früheren Unteroffiziere von den mittleren zu den höheren Stellen
aufgerückt. Vereinzelt geschieht das ja auch heute noch. Es wäre rich-
tiger gewesen, wenn man die Praxis des Aufrückens, wie sic 1790 bis
1850 bestand, in der Hauptsache beibehalten hätte.#1
Zum Thema des Schulwesens schließlich noch eine Anmerkung über
die Freiheit der Wissenschaft auf unseren Universitäten, da man sie
neuerdings öfter als unfreic Staatsanstalten verdächtigt hat. — Die
curopäischen Universitäten sind vom 14. Jahrhundert an im Anschluß an
die Kirche erwachsen; sie haben erst in Bologna, Paris, Prag, Leipzig,
dann in Deutschland nach der Reformationszeit Großes geleistet. Ihr
zünftiger Charakter führte jedoch im 17. und 18. Fahrhundert zur engher-
zigen, nepotistischen Kliquenwirtschaft; ähnlich wie die alte, freic Stadt-
verfassung entartete die freie Universitätsverwaltung. Der neue großartige
Aufschwung der deutschen Universitäten knüpft an die großen fürst-
lichen Gründungen an: Halle und Göttingen im 18. Jahrhundert, Ber-
lin, München und Bonn im Anfang des 19. Jahrhunderts eröffnen den
Reigen; die älteren Universitäten folgten der Reform, erhielten eine
äahnliche Umbildung. Das fürstliche Ernennungsrecht verjüngte sie.
Mehr und mehr wurden immer größere staatliche Mittel für sie flüssig
gemacht. Die Ernennung durch den Staat schließt nicht aus, daß fast
stets die von den Fakultäten vorgeschlagenen Gelehrten berufen werden.
Das ganze freie Privatdozententum schafft den staatlichen Lehrern die
nötige heilsame Konkurrenz. Von den zahlreichen einzelnen Staaten sucht
jeder die besten Kräfte an sich zu ziehen. Wer in Göttingen gemaßregelt
wurde, wie die Gebrüder Grimm, erhielt einen Ruf nach Berlin. Oie
Freiheit in Vorlesung, Lehre und Lehrplan, in schriftstellerischer Tätig-
keit ist unbegrenzt vorhanden. Die Verwaltung der Universität durch
Fakultät und akademischen Senat hat republikanische Formen gegen-
über dem amerikanischen Absolutismus des Universitätspräsidenten und
dem Einfluß der Stiftungsrätc, die, schutzzöllnerisch gesinnt, freihänd-
lerische Professoren absetzen; was in Deutschland nie vorkam. Jeden-
falls stehen dic deutschen Universitäten seit den letzten 60 Jahren nicht
unter, sondern sicher über denen der anderen Kulturstaaten. Das hat
man in Rußland, Nordamerika, Japan und anderwärts stets rückhaltlos
anerkannt.
1) Vgl. darüber W. Naudé, Zur Geschichte des Prenßischen Subaltern-
Beamtentums. Brandenburg-Preußische Forschungen, Band 18, 1905. S. 365 ff.