Gustav v. Schmoller
einigemal 1 bis 2 Monate, blicben aber 20 Jahre lang dienstpflichtig;
im Kriege überwog ihre Zahl unter der präsenten Mannschaft wie im
Frieden die der Ausländer. Obwohl das sog. Kantonreglement von
1733 den Satz aussprach: „Alle Einwohner des Landes sind für die
Waffen geboren“, waren dieser Militärpflicht die höheren Klassen der
Gesellschaft doch nicht unterworfen, und dic Ausnahmen vermehrten sich
aus volkswirtschaftlichen Rücksichten noch bis 1806. Einen erheblichen
Widerstand gegen diese inländische Dienstpflicht leisteten von 1733 an
zunächst nicht die Bauernsöhne, die mit Stolz sich enrollieren und ein
rotes Büschel an den Hut heften ließen, sondern ihre Gutsherren. Oiese
empfanden es als Schmälerung ihrer Rechte, daß der Bauernsohn nun
mehr von seinem Regimentskommandeur, als von ihnen abhing. Oie
Dienstpflicht war ein großer Schritt zur Ausbildung des allgemeinen
Staatsbürgertums. Der Banernsohn hatte jetzt eine direkte Bezicehung
zu seinem König, den er oft gesehen, vielleicht gesprochen, dessen sieg-
reiche Schlachten er mitgeschlagen hatte.
Noch wichtiger war, daß mit der Vergrößerung des Heeres (1713
38000, 17340 83000, 1786 200 000, 1806 250 000 Mann letztere Zahlen
— 2,3 und 3,7% der Bevölkerung) mehr und mehr der ganze Adel zum
Osffiziersdienst herangezogen wurde. Der kleine arme pommersche Adel
trat frühe gern in den Heeresdienst, um seine geringen Einnahmen zu
vermehren, auch der brandenburgische machte keine Schwierigkeit. Wohl
aber noch 1713 bis 1740 der ostpreußische, damals noch überwiegend
„renitente“ Adel, den Friedrich Wilhelml. vielfach mit Gewalt zwingen
mußte, ihm seine 14= bis 18 jährigen Söhne in die Kadettenhäuser und
Regimenter zu geben. Der Gesamterfolg war jedenfalls, daß der
ganze Adel des Königreichs bis gegen 1800 sich daran gewöhnt hatte,
alle seine Söhne Offiziere oder Beamte werden zu lassen, und daß der
1700 noch vielfach feudale antimonarchische Adel nun tren und zuver-
lässig monarchisch wurde, durch diese Umbildung im 19. Jahrhundert
auch hingebend national geworden ist.
Bei diesem System hatte Preußen eine kleine Friedens-, eine große
Feldarmec. Die Ausländer, lebenslängliche Berufssoldaten, gaben den
festen Kern und Halt für die kurz einexerzierten Bauernsöhne. Eine
eiserne harte Dis ziplin mußte freilich die ganz verschiedenen Elemente
zusammenhalten. Im Kriege fand man meist keine weiteren Ausländer,
hatte es aber leicht, durch dic zahlreichen, bisher nicht eingezogenen Kan-
tonpflichtigen die Regimenter immer wieder vollzählig zu machen. Hatte
so das ganze preußische Militärsystem eine gewisse Härte, so erschien es
doch selbst Mlirabean-Mauvillon (De la monarchic prussienne 1780) ne-
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