Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
Die Machtpolitik Englands 313 
  
auch dort einfach in den geographischen Bedingungen begründet: das 
Schwergewicht gegebener Gegensätze hat sich zwischen den beiden „angel- 
sächsischen" Großreichen immer von Zeit zu Zeit bemerkbar gemacht 
und besteht weiter, über die Absicht der Einzelnen und der Einzelepochen 
hinaus. Das Schwergewicht fortschreitender innerlicher Entwicklung und 
Verselbständigung der Einzellande wirkt daneben undläßt die Frage nie- 
mals ruhen, wic lange der Zusammenhang dieses Weltvenedigs, dessen 
Kanäle Ozeane sind ), bestehen bleiben wird, und ob die Form der Föde- 
ration Mittel bietet, die es auf die Dauer zusammenbinden können. Und 
wie schmal ist die Grundlage des Mutterlandes für dieses Weltseereich! 
Inihm selber aber steht Irland, in noch ungeschlichtetem Gegensatze, wider 
die Hauptinsel, und Ulster wider England. In der Gesellschaft des Mut- 
terlandes streiten die Klassen miteinander, und das Arbeitertum droht mit 
sprengenden Kampfmaßregeln. Die Spaltungen und die Besorgnisse sind 
überall. Wird das Reich sie überwinden? Der einigenden Kräfte sind, in 
Kultur, Wirtschaft, Rasse, Geschichte, Empfindung in ihm vielc, und die 
englische politische überlieferung ergriff sic, und trachtete sie zu rerknüp- 
fen und hundertfach zu stärken; der gute Wille der Kolonien kam ihr ent- 
gegen. Schwere Wolken haben, bei aller Größe dieser Kräfte und dieser 
Bestrebungen, dennoch in diesen 30 Jahren stets über dem NReiche ge- 
lastet. Man hat sie mit steigender Unruhe, mit steigender Mervosität 
gesehen und cmpfunden. And ein letztes kam hinzu. Die Reichspolitik 
hatte unter Oisracli seit 1874 als answärtige Politik im engeren Sinne 
begonnen; als auswärtige Politik hat sie, seit der Höhezeit des Imperia= 
lismus, wiederum ihre stärksten Wirkungen entfaltet. Denn neben und 
über allen allgemeinen und zukünftigen Gefahren standen die unmittel- 
baren, greifbaren des Tages: England hatte Gegner. in der Welt, die 
auf das Reich drückten. — 
Wir haben diese Gegner getroffen: da war Rußland; da war Frank- 
reich; die Reibungen mit Frankreich in Nordafrika laufen durch die 
gesamten achtziger und neunziger Jahre hin. Rußland und Frankreich 
haben nach 1890 ihren Zweibund geschlossen; unmittelbar gegen Deutsch- 
land-Osterreich, aber mittelbar gegen Großbritannien, das ihrer beider 
Feind in der Welt war. JFe weiter das Jahrzehnt fortschritt, um so 
schärfer zeigte die Spitze des Zweibundes auf London hin. Die Be- 
6) Seeley S. 300: in tne West she has the United States and in the East 
Russia for a neighbour .Both are continuous land—powers. Between them, 
qually vast but not continuous, with the occan flowing throngh it in every 
direction, lies, like a world-Venice, with the sca for streets, Greater Britain.