Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
Die Machtpolitik Englands 319 
  
großes System zur Schädigung des einen gegenwärtigen Gegners, auf 
Kosten der Zukunft. Unverkennbar, wie alles auf Oeutschland kon- 
vergierte. Die Gefährlichkeit der Opfer, die man den Freunden von hente, 
den wahrscheinlichen Feinden von morgen brachte, wurde nicht verkannt, 
der friedfertige Liberalismus betonte sie stark und betonte dic eigene 
Friedensliebe, auch mit ideeller und mit wirtschaftlicher Begründung. 
Aber die Stimme der Imperialisten hallte darüber hinwegj sie hallte 
über die Krisen von 1909 und 1911 hinüber. Die Paniken vor deutscher 
Invasion durchschüttelten England, wie ehedem das No Popery-Geschrei 
im 17., wie die Angst vor der französischen Flotte im 19. Fahrhundert. 
Lord Roberts führte seine Agitation für die Hecresverstärkung, für die 
allgemeine Wehrpflicht und gebrauchte Deutschland als Schreckgespenst. 
Ich sprach von den Konstruktionen, von den Phantasien Homer Lea's. 
Der kriegsbegeisterte Amerikaner verkündete den Engländern apodik- 
tisch, in Gesetzesform, mit kühlem Fanatismus: als England die deutsche 
Einigung zuließ, verlor es dic Zitadelle seiner europäischen Macht. 
Das britische Reich ruht anf seiner Beherrschung des Gleichgewichtes 
in Europa; es darf keinen europäischen Staat zu groß werden lassen! 
Deutschland will Englands Macht zerstören und ein dentsches Weclt- 
reich auf ihren Trümmern errichten; England muß sich darwider rüsten, 
es darf eine solche Macht überhaupt gar nicht dulden; es ist die letzte 
Stunde! Der Krieg ist unvermeidlich; Kriege haben dieses Reich ge- 
schaffen und werden sein Dasein verlängern oder verkürzen. Lea's Auf- 
ruf ist Feldmarschall Roberts gewidmet.11) Im Jahre 1913 hielt der 
Historiker Cramb Vorträge über Deutschland und England, die später, 
im Orucke weit verbreitet, die angelsächsische Welt bewegt haben 12): 
auch sie sind ein einziger, rednerisch glühender Aufruf zur Rüstung, zur 
allgemeinen Wcehrpflicht, zum Kampfe. Auch Cramb konstruiert mit 
gewalttätigster Verallgemeinerung, mit gewalttätigster Deduktion ein 
kriegslustiges, ein notwendigerweise kriegslustiges Deutschland, er kon- 
struiert die Motwendigkeit dieses Krieges; auch er feiert Roberts und 
feiert den Krieg, er wünscht ihn den Engländern, den Krieg um die 
Machtstellung; er ist Kriegsidealist. Das war eine ganz militaristische 
  
  
1) The Day of the Saxon 1912, S. 3, 5, 139 f., 205 f., 214; 227: RAeutralitäten 
sind in solcher Lage a modern delusion. 140: for England to presere to her- 
Seli the balancc of power in Europc, it is necessary 10 limit the political and 
territorial expansion of any European statc. Schon Österreichs und Italiens 
Erstarkung hätte England nicht dulden sollen. " 
12) J. A. Cramb, late Prof. of modern history, QOuecns College, London: 
Germany and England, Aenuyork 1913, S. 43 ff. und überall.
	        
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