322 * E ri ch M arcks Die Machtpolitik Englands 1
pflicht bei sich einführt, so wird es, innerhalb der internationalen Poli-
tik, erst zu einer Aation werden wie die anderen: zu einer Mation, die
ihre politische Verantwortung, die Verantwortung des Krieges, mit
furchtbarem Ernste an dem Blutzolle abmißt, den alle ihre Söhne zah-
len müssen; zu einer Nation, die an dieser Verantwortung die Selbst-
beschränkung, die Einordnung und die Ouldung lernt. Die Geschichte
von Englands Vergangenheit, an die es sich heute klammert und die
es in die Gegenwart zu übertragen gestrebt hat, ist — das bleibt die
Summe dieser Betrachtung — eine Geschichte von Eroberungskriegen,
von Angriffskriegen, die sein Wachstum in die Welt hinein zu decken
und jeden europäischen Mebenbuhler niederzuwerfen hatten; es ist eine
Geschichte von Kriegen, von aggressiver Politik, von aggressiver Welt-
politik, immer und überall. Man kann sie großartig finden, und groß
sind die Zusammenhänge dieses Weltvolkes noch heute, in Bevölkerung
und Landbesitz, in Kultur und Macht. Mit dem Menschheitsinteresse
sich zu decken, das erlaubt der englischen Selbstgewißheit und dem eng-
lischen Cant nur die Heuchelei oder die Benommenheit der anderen, die
es damit zu täuschen trachtet. Es kämpft für sich und für eine veraltete
Weltherrschaft, deren Ansprüche das nationale Leben von Gegenwart
und Zukunft sprengen muß; cs kämpft für eine universale Geltung,
die in Wahrheit das partikularste und das selbstischeste ist, das die heu-
tige Welt kennt. Dafür hat es die Völker, die Deutschlands neues Leben
seit Jahrzehnten stieß, durch seine Sammlungspolitik von 1904 und 1907
unter die Waffen gebracht: klug im engeren Sinne vielleicht, indem es
zugleich den einen seiner Gegner durch den anderen zu schwächen sucht;
schwerlich klug im Sinne einer vorschauenden Weisheit; seiner eigenen
Geschichte aber ganz getreu. Es hat sie gern als eine Geschichte des
Friedens und des Wohlwollens hingestellt: das ist sie nie gewesen.
So stark und so schroff wie je cin Volk hat das englische Wirtschaft und
Kultur mit Macht und Krieg durchdrungen; einseitiger als weitaus
die meisten hat es den Mitbewerber von jeher einfach zu erschlagen
gestrebt. So war das Bild, und so ist es bis heute: die Freiheit unserer
Welt verlangt, daß es in Zukunft so nicht bleibe.