Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
  
Die Machtpolitik Frankreich 327 
  
NRußland und Frankreich sowohl von russischen wie von sfranzösischen 
Politikern als Gegengewicht empfohlen. Man darf nicht vergessen, daß 
der weltpolitische Gegensatz, in dem sich die beiden Mächte damals zu 
England befanden, ein weiteres wichtiges Moment darstellte, das dem 
Abschluß des Bündnisses förderlich sein mußte. Trotzdem hatte man am 
Zarenhofe lange Zeit prinzipielle Bedenken, mit der demokratischen Re- 
publik ein Bündnis cinzugehen; aber auch dies Bedenken wurde schließ- 
lich überwunden, wie viele annehmen, infolge der Wendung der deut- 
schen Politik zu England und der MNichterneuerung des sogenannten 
Rückversicherungsvertrages nach dem Sturze Bismarcks. Es kann aber 
nicht zweifelhaft sein, daß, wenn es vor 1890 zu einem Kriege zwischen 
Oentschland und Rußland gekommen wäre, die französischen Gewehre 
von selbst losgegangen wären. Außer der offenbar vorhandenen politi- 
schen Interessengemeinschaft, die zwischen den beiden Reichen bestand, 
dürfen auch die engen finanziellen Beziehungen nicht übersehen wer- 
den, die die beiden Mächte aneinander ketteten. Als ein äußeres Zeichen 
des Einverständnisses erfolgte im Juli 1891 die Beise eines französi- 
schen Geschwaders nach Kronstadt, bei welcher Gelegenheit der stolze 
Selbstherrscher aller Reußen die Marseillaise stehend anhörte. Am 
27. August 1891 wurden zwischen den Regierungen NAoten ausgetauscht, 
die das Einvernehmen besiegelten 5), das 1892 durch eine Militärkon- 
vention ergänzt und 1894 in ein formelles Bündnis umgewandclt wor- 
den ist. 
Das französisch-russische Bündnis war nach der Absicht der fran- 
zösischen Politiker in erster Linie gegen Deutschland gerichtet und sollte 
im günstigen Augenblick zum Kriege und zur Wiedergewinnung Elsaß- 
Lothringens führen. Den russischen Staatsmännern war Elsaß-Lothrin= 
gen begreiflicherweise völlig gleichgültig; sie wolltem die Allianz be- 
nutzen zur finanziellen Auspressung Frankreichs und zur Förderung 
der russischen Politik im nahen und fernen Östen gegen England, wenn 
es sein mußte, natürlich auch gegen Deutschland. Oiejenigen französi- 
schen Politiker, die in der Ausdehnung des Kolonialreichs eine wich- 
tige Aufgabe der französischen Politik sahen, gedachten sich des russi- 
schen Beistandes auch gegen England zu bedienen. Ze nach den Ab- 
wandlungen des Verhältnisses Frankreichs und Rußlands zu England 
sind denn auch ihre Beziehungen zu Deutschland bald bessere bald 
schlechtere gewesen. 189/ traten Frankreich und Dentschland gemeinsam 
gegen England auf, als es einen Streifen des Kongostaats pachten 
6) Freycinet, Souvenirs 1878—1893, S. 467. Albiu S. 318 gibt als Datum 
den 22. August an.
	        
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