Die Machtpolitik Frankreichs 347
Elsaß-Lothringer, gehässige Angriffe auf leitende Männer Deutsch-
lands, Herabwürdigungen deutscher Zuständc und Einrichtungen, be-
sonders des deutschen Heeres bildeten dic tägliche Lektürc der Franzosen.
Einer späteren Zeit ist es vorbehalten, festzustellen, inwieweit von russi-
scher und englischer Seite und von englischem Gelde die französische Hetz-
presse beeinflußt worden ist; auch der umgekehrte Fall, daß dic englische
und russische Presse von französischer Seite in deutschfeindlichem Sinne
bestimmt worden ist, mag vorgekommen sein. Es wärc ungerecht, leugnen
zu wollen, daß es an Gegenströmungen gegen das Aberwuchern des
Chauvinismus gefehlt hätte, es gab bis in die letzte Zeit vor dem Kriege
Aänner, die ihre warnende Stimme erhoben und zu einer Verständi-
gung mit Deutschland mahnten. Die an und für sich unbedeutenden
Zwischenfälle in Lunésville und Nanch zeigten, wie überaus feindselig
die Stimmung des durch eine gewissenlose Presse verhetzten Volkes
geworden war. Das Selbstgefühl weiter Kreise war durch einc ihrer
Meinung nach überwältigende AU#berlegenheit im Fliegerwesen ins Un-
gemessenc gestiegen, zahlreiche Flugschriften beschäftigten sich schon mit
der Zertrümmerung Deutschlands, die leitenden Männer standen durch-
aus im Bann der nationalistischen Strömung, die als „neuer Geist“
in Wort und Schrift gefeiert wurde. Und als Rußland sich anschickte,
in einer den französischen Interessen völlig fremden Sache das Schwert
zu ergreifen, zögerte Frankreich keinen Augenblick, den Rachekrieg gegen
Deutschland zu beginnen.
zahlreichen Verherrlichungen des Krieges durch französische Schriftsteller ist da-
gegen nic die Rede. Man lese z. B. die Rede, die General Lyautey, der bekannte
Generalresident von Marokko, also ein Mann in hoher verantwortlicher Stel-
lung, am 21.Dezember 1912 in der Ecole des sciences politiques gehalten hat und
die in dem Werke Il'Afrique du Nord. S. 87 ff., abgedruckt ist. Lyautey sagt unter
anderm: „la guerre est Toccasion de I’épanouissement des plus hautes vertus
humaines“, und er spricht das bezeichnende Wort aus: „le pacifisme est mort.“
Als ein Beispiel der französischen Kriegshetzerei, das auch zur allgemeinen Kennt-
nis der Acutralen kommen sollte, erwähne ich außer dem berüchtigten le partage
de l’Allemagne"“ das Buch eines „Intellektucllen“, Manrice Legendre, La guerre
prochaine et la mission de la France“; ein geradezu blödsinniges Machwerk,
interessant aber auch deshalb, weil es S. 174 in dürren Worten sagt, die drei-
jährige Dienstzeit würde nie durchgeführt werden, denn der Krieg werde vorher,
d. h. vor 1916, ausbrechen! Dic oben vorgetragene Auffassung ist auch aus per-
sönlichen Eindrücken gewonnen. Vgl. auch das vor dem Kriege erschienene Buch
des Schweden Kjellén, Die Großmächte der Gegenwart, S. 52 f., und das Buch
des Franzosen Aubert, La folic franco-allemande, S. A9 ff., der zur Verständigung
mit Deutschland auffordert. Die gleiche Tendenz hat das mir nicht zugängliche
Buch: La paix armée et le probléme d’Alsace-Lorraine.