— —— — — — —
352 Karl Hampe
angewiesen und hat, wie der Held seines alten volkstümlichen Epos
eineke Fuch- gegenüber Bär und Wolf, gar oft mit List und Klugheit
seine Stellung gegen überlegenc feindliche Mächte behaupten müssen,
gegen die Eroberungssucht Frankreichs wic gegen die interessierte Ein-
mischung Englands. Wic er aus der Rivalität dieser beiden Nationen
stets Vorteil gezogen hat, so war ihr hundertjähriger Kampf zugleich mit
der völligen Lähmung der deutschen Reichsgewalt die Grundbedingung
für das Emporwachsen und die reiche Blüte des nahezu selbständigen
ncuburgundischen Staatswesens, das zuerst die zersplitterten nieder-
ländischen Territorien zu einem Ganzen einte. Es wird von dem heu-
tigen Belgier trotz des auch ihm anhaftenden Charakters der Fremd-
herrschaft mit Stolz als der Vorläufer seines modernen Staates be-
trachtet. Freilich, sobald in Ost und West die Ohnmacht überwun-
den wurde, war es aus mit der neutralen Zwischenstellung Bur-
gunds. In dem gewaltigen Ringen der Habsburger mit den Valois
folgte es gegenüber der unmnittelbareren französischen Bedrohung der
überlegenen Anziehungskraft der habsburgischen Großmacht. Für ein
kleineres Staatswesen; das nicht imstande war, sich aus eigener Kraft
übergewaltiger Feinde zu erwehren, war solche Verbindung gewiß nicht
der schlechteste Zustand, wofern die schützende Großmacht nicht ganz
fern und wesensverschicden war, wofern sie nur nicht Unterdrückung
berechtigter Eigenart und Ausbeutung für fremde Zwecke zu ihrer Lo-
sung machte. Von dem nahverwandten Deutschen Reiche, wo für solche
Schonung der Eigenart stets übergenug Raum war, stand das nicht zu
befürchten. Zum Unheil wurde erst die Verkettung mit der völlig frem-
den und verständnislosen, starren und unduldsamen Weltmacht des spa-
nischen Zweiges der Habsburger. Da haben die südlichen NMiederlande
nach ruhmvollen Ansätzen zur Befreiung unter dem Drucke der kon-
#ossionellen Spaltung die Schicksalsstunde des Jahres 1579 verpaßt und
sich von dem Heldenkampf ihrer protestantischen nördlichen Brüder ab-
gesondert. So blieben sic an das spanische Reich gefesselt, und Kälte und
Erstarrung dieses absterbenden Körpers drangen bald auch in ihr Inner-
stes. Auf den Westfälischen Frieden folgte die düsterste Epoche ihrer Ge-
schichte. Belgien, durch die Scheldesperre und Unterbindung seinces Sce-
handels auch wirtschaftlich gelähmt, war hinfort nach einem Worte Pi-
rennes „ein Körper ohne Seele, ein Beratungsstoff bei Verträgen, eine
Barriere, ein Schlachtfeld“. Erst der Rückfall an die deutsche Linie der
Habsburger (1713) sollte dem erschöpften Lande wieder langsam fried-
liche Erholung bringen.
Inzwischen aber hatte Frankreich die schon im 13. Jahrhundert plan-