Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
  
Rußland und der Panslawismus a21 
  
und Englands, mitzugehen, noch nicht groß geung gewesen zu sein, weil 
man wahrscheinlich in Paris und London den Grad der russischen Waf- 
fenbereitschaft für einen so ernsten Waffengang noch nicht für genügend 
crachtete. Die panslawistischen Kreise aber hielten diese Zurückhaltung 
nur für einc Feigheit der russischen Diplomatie. 
Unter diesen Verhältnissen ist es verständlich, daß der Friedc, der 
nach dem Bukarester Vertrage im Spätsommer 1913 in Europa ein- 
gekehrt war, nur eine Vorbereitung für den Krieg bedeutete. Hatte die 
russische Diplomatie, d.h. Sazonov, noch 1910 im Potsdamer Uber- 
einkommen wieder den von Szvolskij verschmähten Draht nach Berlin 
wiederherzustellen gesucht, so hat sie doch nicht daran festgehalten. 
Vielleicht war dies auch nur ein Wink nach London und Paris und 
eine Revanche für die nach russischen Begriffen nicht genügend bundes- 
genössische Haltung Frankreichs während der Annexionskrisc. Da aber 
Deutschland hindernd in den Weg trat, als die russische Diplomatic in 
der ihr gewohnten gewalttätigen Interpretation des Friedens von San 
Stefano beziehungsweise der Berliner Kongreßakte sich in Armenien 
festsetzen oder zum mindesten diese Frage als einen Hebel verwenden 
wollte, um wie in der mazedonischen nach Belieben eingreifen zu können, 
änderte Sazonov seine Haltung gegenüber Deutschland. Die Mission 
Liman von Sanders im Spätherbste 1913 diente ihr zum Anlaß, um 
alle Register der immer latenten Deutschfeindlichkeit der russischen Presse 
aufzuziehen. Jede Stärkung der Pforte und namentlich der Verteidi- 
gungsanlagen der Meerengen durchkrenzte die Pläne der russischen Po- 
litik. Man wußte genau, daß die englische Marinemission nichts tun 
werde, um die türkische Flotte zu heben, sondern im Gegenteil als Kon- 
trollorgan und als verzögerndes Element bei der türkischen Flottenbe- 
reitschaft zu dienen habe. Daher verlangte man die Abberufung Limans 
von Sanders und der deutschen Offiziere, und als dies nicht Rußlands 
Wünschen entsprechend gelang, entschloß man sich wahrscheinlich früher, 
als die strategischen Bahnen gebaut waren, zum Losschlagen gegen Öster- 
reich-Ungarn und Oeutschland. Jedenfalls haben die Vorbereitungen 
zur Mobilmachung in Rußland schon sehr frühzeitig am Beginne des 
Jahres 1914 eingesetzt. Die Zeit drängte anch deshalb, weil Frankreich 
unmöglich lange die Last der dreijährigen Dienstzeit ertragen konnte und 
wollte. Das wichtigste war aber wohl, daß England, d. h. vor allem Sir 
Edward Grey, sich bereit erklärte, an Rußlands und Frankreichs Seite zu 
kämpfen. Einer der Haupteinpeitscher zum gegenwärtigen Weltkricg, der 
russische Exdiplomat Bransaninov, der während der Balkankrise durch 
eine Tageszeitung die Kriegsstimmung in Rußland schürte und der dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.