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Was haben wir nun von der Sabadilla zu erwarten?
Jedenfalls sehr viel; denn sie bietet uns eine jenen angeführten
Mitteln analoge Wirkung dar, nur mit dem Unterschiede, daß
die Sabadilla weit heftiger einwirkt, und durch die stürmische
Revolution, die sie im Körper hervorbringt, nach dem Sprach-
gebrauche der italienischen Schule, einen Contrastimulus aus-
übt, d. h. ein System, welches nicht ergriffen war, zur aus-
gleichenden, antagonistischen Thätigkeit anregt. Hier wird vor-
zugsweise das splanchnische System von der Wirkung der Sa-
badilla in Anspruch genommen, das mit dem Rückenmark im
nächsten Zusammenhange steht. Mag man es nun gelten lassen
oder nicht, was französische Physiologen in der neuesten Zeit
beobachtet und behauptet haben: daß das Wesen der Hydro-
phobie nämlich mit einer stets zu erkennenden Entzündung des
Rückenmarks innigst verknüpft sei, so ist diese Methodus re-
vulsiva sicher energisch genug, um jene gesteigerte Vitalität
auszugleichen. Welche Umstimmung das Mittel in beiden
Factoren des Nervensyhstems hervorzubringen vermag, beweist
die, einen bis zwei Tage lang anhaltende todtenähnliche Er-
starrung, die den Kranken gleich nach genommenem Mittel be-
fällt. Während dieser Zeit bereitet sich die Krisis vor, die in
diesem Falle in violentem Brechen und Laxiren besteht. Wohl
glaublich ist es, daß hierdurch das Wuthgift, welches meta-
statisch aus der Bißwunde auf die Nerven überging, aus dem
Körper vollständig geschafft werden kann.
Einen ähnlichen Prozeß, nur durch die Umstände modifi-
cirt, bemerken wir in den Krankheiten, wo wir den Tartarus
stibiatus en revage anwenden.
Die Procedur der Darreichung des Mittels untersuchend,
finden wir, daß in dem Wasser, womit das Sabadillpulver
gegeben wird, erst eine Reinette weichen soll. Was kann dies
bezwecken? — Jedenfalls theilt die Reinette dem Wasser eine
Säure mit; die Säure muß aber Apfel= oder Weinstein-, viel-
leicht auch Citronensäure sein. Betrachten wir nun, daß der
wirksamste Stoff in der Sabadilla das Alcaloid ist, und
dieses an Gallussäure gebunden erscheint, so finden wir, daß
durch die Weinstein-, Apfel= oder Citronensäure eine chemische
Zersetzung stattfinden muß, und das Alcaloid aus seiner Ver-
bindung mit dem Gerbestoff in die mit jenen Säuren eingeht.
Bekanntlich sind die gerbestoffsauren Salze aber schwerer lös-