Metadata: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

466 & 47. Die Pflichten und Beschränkungen der Reichsbeamten. 
gesetz & 10 bestimmt demgemäß: »Jeder Reichsbeamte hat die Ver- 
pflichtung, .... durch sein Verhalten in und außer dem Amte der 
Achtung, die sein Beruf erfordert, sich würdig zu zeigen«. Es ergibt 
sich hieraus, daß ein Beamter trotz tadelloser Erfüllung der amtlichen 
Obliegenheiten durch sein außeramtliches Verhalten seine Dienstpflicht 
verletzen kann!). 
Auch hier ist aber festzuhalten, daß es sich nicht um die Nicht- 
erfüllung einer obligatorischen (kontraktlichen) Pflicht, sondern um 
die Verletzung eines Treu- und Gewaltsverhältnisses handelt. Der 
Staatsbeamte verletzt durch unehrenhaftes Betragen seine Dienstpflicht 
in ähnlicher Art, wie ehemals der Vasall durch ehrlose Verbrechen, 
die nicht gegen den Lehnsherrn gerichtet waren (Quasifelonie), seine 
Lehnstreue und seine Lehnspflicht verletzte. 
IV. Die Beschränkungen der Reichsbeamten. 
Zu unterscheiden von den aus dem Anstellungsvertrage sich er- 
gebenden Pflichten, deren Erfüllung dem Reichsbeamten obliegt, 
sind einige mit der Stellung eines Reichsbeamten verknüpfte Be- 
schränkungen, welche zur Sicherung voller Pflichterfüllung oder zur 
Verhütung von Kollisionen zwischen verschiedenen Pflichten ihm auf- 
erlegt sind. Außer der bereits erwähnten Vorschrift, daß ein Reichs- 
beamter, bevor er als Sachverständiger ein außergerichtliches Gutachten 
abgibt, dazu die Genehmigung seiner vorgesetzten Behörde einzuholen 
1) In der staatsrechtlichen Literatur ist eine andere Begründung herkömmlich. 
Man geht davon aus, daß der Staatsdienst ein Lebensberuf ist, die Staatsbeamten 
zusammen einen „Ehrenstand“ bilden und daß deshalb jeder Beamte neben seiner 
Dienstpflicht noch eine „Standespflicht“ habe, welche er durch seinen außeramtlichen 
Wandel nicht verletzen dürfe. Vgl. Perthes S. 4fg.; L. Stein, Verwaltungslehre 
I, 1, S. 235 fg. (2. Aufl); Schulze, Preuß. Staatsrecht I, S. 323; Kanngießer 
S. 49. Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Aus ihr würde nicht ein Recht des 
Staates zum disziplinarischen Einschreiten gegen Beamte wegen ihres außeramt- 
lichen Verhaltens, sondern ein Recht der Berufsgenossen auf Bestrafung oder 
Ausschließung von der Standesgemeinschaft folgen. Sodann aber ist die Annahme, 
daß der Beamtenstand ein besonderer Ehrenstand sei, nicht juristisch durchführbar, 
da alle anständigen Berufsarten rechtlich gleiche Ehre haben. Warum sollte der vom 
Staate angestellte Eisenbahnbeamte oder Bankbuchhalter einen ehrenvolleren Stand 
haben als der von einer Privatgesellschaft angestellte Eisenbahn- oder Bankbeamte? 
Der Rechtssatz gilt aber auch gar nicht nur für Staatsbeamte; er gilt auch für Be- 
amte der Privatgesellschaften, die ebenfalls durch unsittlichen Lebenswandel ihre 
Dienstpflicht verletzen; ja jeder Handlungsgehilfe kann vom Prinzipal entlassen wer- 
den, wenn er sich einem unsittlichen Lebenswandel ergibt (altes Handelsgesetzb. 
Art. 64, Nr. 6); das gleiche gilt von gewerblichen Gesellen und Gehilfen, Lehrlingen 
und Fabrikarbeitern (Gewerbeordnung 8 111, 120, 127), sowie von Dienstboten. Es 
handelt sich demnach nicht um einen besonderen Rechtssatz, der nur für den Stand 
der Staatsdiener gilt, sondern um die Anwendung eines allgemeinen Rechts- 
prinzips, welches nur dadurch modifiziert wird, daß der Staat seinen Beamten 
nicht als gleichberechtigte Partei, sondern als Herr gegenübersteht. Zustimmend 
SeydelS. 225.
	        
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