Full text: Das Civil-Medizinal-Wesen im Königreiche Bayern. 3. Band. Die Medizinalpolizei (Fortsetzung). (3)

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Berichte der kgl. Reggierungs-Präsidien, dann des eingeholten 
Gutachtens des Obermedizinal-Ausschusses liegen den vielfachen 
Gesundheitsstörungen auf dem platten Lande außer den in dem 
bezeichneten Ausschreiben angeführten Ursachen vorzüglich auch 
die in mehreren Gegenden einzelner Regierungsbezirke herrschende 
große Armuth, die Frreligiosität und Unsittlichkeit, die allge- 
mein erhöhte und vermehrte Begehrlichkeit und Genußsucht, die 
fehlerhafte physische Erziehung rer Kinder, und die Vernach- 
lässigung der Kinder-Krankheiten, zu frühes Heirathen vor ent- 
wickeltem Körper, und das Heirathen nur in verwandten Fa- 
milien in mancher Gegend, die Natur der Beschäftigung der 
Landbevölkerung selbst, u. s. w. mit zu Grunde. 
Insbesondere wird die Kleidung der Landbevölkerung viel- 
fach als zu dürftig und nicht hinreichenden Schutz gegen die 
Kälte und Nässe gewährend, als nicht zweckmäßig, bei Mädchen 
die Ausbildung der Brüste und Lungen, bei Entbundenen das 
Säugen der Neugeborenen hindernd geschildert, und als sehr 
unreinlich, nicht gehörig gelüftet, gewaschen bezeichnet. 
Die Nahrung ist meist sehr roh und schlecht bereitet, die 
Kost namentlich für Kranke unzweckmäßig, das Brod oft nicht 
ausgebacken; die Neugeborenen werden statt mit Muttermilch 
mit grobem zähen und zu heißen Mehlbrei genährt. 
In mancher Gegend ist das Trinkwasser, das Bier, der 
Wein schlecht, der Branntwein fuselig. 
Die Wohnzimmer und häufig auch die Schulstuben 
sind zu klein, niedrig und übelbeleuchtet, überfüllt, feucht, nicht 
genug gelüftet, und unreinlich. Die ungeheizten Schlafstuben 
sind zugleich die Vorrathskammern für Nahrungsmittel, schmutzige 
Kleider, Leinwand und Wäsche. Unmittelbar vor den Häusern 
und gar häufig vor den engen Fenstern der Schlafstellen stehen 
hochaufgeschichtete, übeldünstende Misthaufen. Viele Häuser, ja 
ganze Dörfer sind häufigen Ueberschwemmungen ausgesetzt, und 
werden, ohne je ganz trocken zu werden, sogleich nach dem Zu- 
rücktreten der Gewässer wieder bezogen. 
Schwächliche, unentwickelte Kinder, namentlich Mäd- 
chen, werden zum Tragen jüngerer Kinder angehalten, zu frühe 
schon auf anstrengende, oder sonst nachtheilige Weise beschäftigt, 
jüngst Entbundene unterziehen sich anstrengenden, körperlichen 
Arbeiten. 
Die Aufsicht auf die Kinder ist mangelhaft, sowohl in den
	        
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