Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

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Dieser neue Tarif, der in der Hauptsache nichts anderes 
ist als ein dauernder, verkappter Zuschlag von rund 250% 
zu den bisherigen Steuersätzen, ist eine ziemlich unglückliche 
Schöpfung. Wenn man von der Beseitigung der „Horizontale“ 
und von der Beibehaltung der 4 untersten Steuerklassen ab- 
sieht, so ist durch jene gleichmäßige Erhöhung der Steuer- 
sätze die Progression, d. h. das seitherige Verhältnis der 
Steuersätze zu einander unverändert geblieben. Hierdurch wer- 
den aber die mittleren und vorzugsweise die unteren Klassen 
der Bevölkerung den besser situierten gegenüber viel höher 
und nicht dem Opferprinzip entsprechend belastet. So muß 
doch, wie auch Wachler!) hervorhebt, z. B. 16 M. Staatsein- 
kommensteuer bei 1251 M. Einkommen oder 56 M. Steuer 
bei 2501 M. Einkommen als drückend für diese Klassen emp- 
funden werden. Durch eine derartige Anspannung der Ein- 
kommensteuer treten hatürlich auch deren Mängel um so 
schärfer hervor. Es wäre daher zu wünschen, wenn der Steuer- 
tarif in der Richtung größerer Entlastung der unteren und 
mittleren Klassen geändert würde. 
7. Die Untergrenze der Einkommensteuer 
von 400 Mark. 
I. Das ältere Einkommensteuergesetz (von 1874) kannte 
keine untere Grenze der Steuerpflicht. Schon durch das Finanz- 
gesetz vom 2. Juli 1876 aber wurde eine Steueruntergrenze 
mit 300 M. festgesetzt, „da“ — so heißt .es im Regierungs- 
dekret Nr. 56 vom 17. Februar 1876 — „bei der außerordent- 
lichen Beweglichkeit, welche der zahlreichen, in die untersten 
Klassen fallenden Bevölkerung eigen ist, ein überaus großer 
Teil derselben sich der Steuerzahlung entzieht und die von 
diesen Klassen wirklich eingehenden Steuerbeträge weit hinter 
dem katastermäßigen Soll zurückbleiben und die auf deren 
Einbringung verwandte Mühe und Arbeit nur ganz ungenügend 
oder gar nicht lohnt. Auch läßt sich nicht verkennen, daß die 
ansehnliche Erhöhung der Steuerlast, welche mit der Erhebung 
der in $ 15 des Einkommensteuergesetzes vom 22. Dezember 
1874 geordneten Steuersätze für die untersten Klassen verbun- 
den ist, auch sonst ernste Bedenken gegen sich hat. Die Staats- 
regierung hat daher die Ansicht gewonnen, daß es unter allen 
Umständen wünschenswert sei, die untersten Klassen der Be- 
völkerung bei der bevorstehenden ersten Erhebung der Ein- 
kommensteuer außer Berücksichtigung zu lassen.“ — Die 
steuerfreie Grenze von 300 M. wurde dann auch im Gesetz von 
1878 angenommen. 
Eine Erhöhung der Steueruntergrenze brachte erst, wie 
schon erwähnt, die Novelle von 1894. Im Dekrete Nr. 18 vom 
1) A. a. O. 8. 510.
	        
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