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untersten Steuerklassen mit einem Einkommen von über 400
bis 800 M. angehören und sodann in Sachsen rund viermal so
viel Personen im Verhältnis zur Bevölkerung veranlagt wer-
den als in Preußen.!) Dies erklärt sich daraus, daß erstens in
Preußen alle Personen bis 900 M. Einkommen steuerfrei sind
und daher überhaupt nicht veranlagt werden, während in
Sachsen auch die Personen mit einem Einkommen von weniger
als 400 M. eingeschätzt werden, und daß zweitens, wie später
noch eingehender erörtert werden soll, die Veranlagung in
Sachsen nach Einzelpersonen im Gegensatz zu Haushaltungen
wie in Preußen erfolgt. Die Folge hiervon aber ist eine der-
artige Geschäftsüberbürdung der Steuerbehörden, daß es ganz
unmöglich ist, auf jeden einzelnen bei der Einschätzung die
nötige Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu verwenden. Hier-
nach ist es leicht begreiflich, daß die Steuerpflichtigen der
unteren Klassen, namentlich die kleinen Landwirte und Ge-
werbetreibenden sich häufig ungleichmäßig und damit unge-
recht besteuert fühlen. Und hierin liegt wohl gerade die Ur-
sache, die in den unteren Volksschichten in Sachsen arge Ver-
bitterung und das Gefühl des Hasses gegen die Einkommen-
steuer hervorruft, da sich viele bald mit Recht oder Unrecht
zu hoch belastet fühlen und ungerecht erscheinende Steuerlast,
wie bekannt, noch schwerer zu ertragen ist als hohe.
Eben daher ja auch in Sachsen die große Zahl der Rekla-
mationen, Mahnungen, Pfändungsanträge und Beitreibungen ge-
rade in neuester Zeit!
Die Zahl der Reklamationen gegen die Einschätzungen
zur Staatseinkommensteuer (l. und 2. Instanz) betrug im
Jahre 1880: 23744 bei 1119546 eingeschätzten (physischen
und juristischen) Personen, d. h. auf je 1000 Eingeschätzte
kamen ca. 21 Beschwerden. Im Jahre 1894 war die Zahl der
Reklamationen auf rund 570002) bei 1496 566 eingeschätzten
Personen angewachsen, d. h. auf je 1000 Eingeschätzte fielen
ca. 88 Beschwerden. In den letzten Jahren dürfte vermutlich
die Zahl der Reklamationen relativ noch stärker gestiegen sein.
Dies zahlenmäßig zu beweisen, ist jedoch nicht möglich, da
eine statistische Bearbeitung der Reklamationen in neuester
Zeit nicht mehr erfolgt ist. —
ı) Im Jahre 1900 waren in Sachsen bei einer mittleren Jahres-
bevölkerung von 4167500 Köpfen 1739461 physische Personen zur Ein-
kommensteuer eingeschätzt. Es kamen hiernach auf je 100 Köpfe der
Bevölkerung ca. 41,7 eingeschätzte physische Personen, während in Preußen
auf Grund amtlicher Berechnung im Jahre 1900 nur 10,09 physische Zensiten
(ohne Angehörigen) auf je 100 Personen der Bevölkerung kamen. (Zeitschr.
des Königl. Preuß. Statist. Bureaus 1902 S. IV.)
2) Die Zahl der Reklamationen 1., 2. und 3. Instanz betrug im Jahre
1894: 57 108; wieviel hiervon auf die 3. Instanz entfallen, ist nicht ver-
öffentlicht. Indessen dürften wohl nicht viel mehr als 100 Reklamationen
auf diese Instanz kommen (im Jahre 1893: 134 Beschwerden jener Art).
Hoffmann, Staatssteuern. 9