Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

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Das Ziel einer gerechten Besteuerung besteht, was schon 
oft gesagt ist, nicht in einer Belastung nach dem Einkommen, 
sondern vorzugsweise nach der Leistungs- und Steuerfähigkeit 
der einzelnen. Faßt man dieses Grundsätzliche scharf ins Auge, 
so ist mit Fr. J. Neumann so zu argumentieren (a. a. 0. 
S. 181): 
„Innerhalb '!der einzelnen Haushaltung äußert sich die 
Leistungs- und damit auch die Steuerfähigkeit der Ehefrau 
nach Ständen und Klassen verschieden. Die Frau des Arbeiters 
muß, so bald mehrere Kinder und kein Vermögen vorhanden, 
regelmäßig ‚mitzuverdienen‘, d. h. außerhalb des Haushaltes 
Geld zu erwerben suchen. Sie hat also regelmäßig Einnahmen 
und Einkommen, das sich in Geld äußert. Die nach ihrer Vor- 
bildung und Schulung im allgemeinen größere Leistungsfähig- 
keit der Frau Regierungsrat oder Professor aber bringt Früchte 
innerhalb des Haushaltes, in der Anordnung der Wirtschaft, 
Schonung des Erhaltenen, Zubereitung dieser oder jener Nah- 
rungs- oder Kleidungsmittel, Erziehung der Kinder usw., ohne 
daß dies in Geld zum Ausdruck gelangt. Ist es nun, wenn nach 
der Leistungs- oder Steuerfähigkeit gesteuert werden soll — 
gerecht, diese größere Fähigkeit unbeachtet zu lassen, dagegen 
jene geringere der armen Frau zu belasten, bloß weil nach an 
sich traurigen sozialen Verhältnissen letztere in Geld zu er- 
fassen ist?! 
„Offenbar nicht. Diese Ungerechtigkeit zu meiden muß 
man sich also nach geeignetem Auswege umsehen. Und ein 
solcher Ausweg, bei dem hoch und niedrig mit gleichem Maß 
gemessen wird, läßt sich, da man die nicht in Geld zutage 
tretende Steuerfähigkeit der Frauen höherer Stände natürlich 
auch nicht in Geld schätzen kann, wie schon an anderem Orte 
zu zeigen versucht ist — nur darin finden, daß man unter diesen 
Umständen auch darauf verzichtet, die Steuerfähigkeit der 
armen Frau, innerhalb gewisser Schranken wenigstens, der 
Steuer mitzuunterwerfen, daß man sie also als Ehefrau be- 
züglich des erarbeiteten Einkommens frei ließe. 
„Da ähnliches aus analogen Gründen aber auch jenen 
‚Haussöhnen‘ gegenüber angezeigt ist, die als Studenten oder 
Referendare an sich leistungsfähiger wären als besteuerte arme 
Fabrikkinder, ohne doch ein der Steuer zugängliches Einkom- 
men zu haben — so empfiehlt es sich auch aus diesen Gründen 
prinzipiell an der Besteuerung nach Haushaltungen festzu- 
halten, und innerhalb dieser Hausfrauen und Hauskindern ge- 
wisse Steuerfreiheiten zu gewähren.“ 
Gerade für das sozialdemokratische Land Sachsen möchten 
die Neumannschen Ausführungen um so mehr Beachtung ver- 
dienen.
	        
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