Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

— 134 — 
9. Berücksichtigung der Ausgaben neben den 
Einkünften. 
I. Erfreulicherweise bricht sich immer mehr in der Wissen- 
schaft wie in der Gesetzgebung die Erkenntnis Bahn, daß, um 
den Grundsatz der Besteuerung nach der Steuerfähigkeit be- 
hufs gerechter Vermittlung zwischen Ausgleich der Opfer und 
Schutz des Wohlerworbenen zur Durchführung zu bringen, das 
Rein- oder Steuereinkommen der einzelnen selbst noch keines- 
wegs das Maß für eine gerechte Belastung, sondern nur ein 
Hilfsmittel zur Erreichung jenes Zieles ist, bei dessen Be- 
nutzung teils Abzüge, teils Ergänzungen usw. geboten sind. 
Unter diesem Gesichtspunkte ist daher besonders dring- 
lichen Ausgaben der Steuerpflichtigen neben ihren Einkünften 
bei der Bemessung des zu zahlenden Steuersatzes Rechnung zu 
tragen. Dieser Forderung sucht auch die sächsische Gesetz 
gebung zu entsprechen. In $ 13 des Einkommensteuergesetzes 
ist bestimmt, daß ‚bei denjenigen Beitragspflichtigen, deren 
Einkommen den Betrag von 5800 M.!) nicht übersteigt, be- 
sondere, die Steuerfähigkeit wesentlich vermindernde wirt- 
schaftliche Verhältnisse insoweit berücksichtigt werden kön- 
nen, daß denselben eine Ermäßigung der in $ 12 vorgeschrie- 
benen Steuersätze um höchstens 3 Klassen oder, falls die- 
selben einer der 3 untersten Steuerklassen angehören, gänz- 
liche Steuerbefreiung gewährt wird. Als Verhältnisse dieser 
Art kommen lediglich (1.) außergewöhnliche Belastung durch 
Unterhalt von Kindern, (2.) durch Verpflichtung zur Unter- 
haltung armer Angehöriger, (3.) andauernde Krankheit und 
(4.) besondere Unglücksfälle in Betracht.“ 
Indessen hat vorstehende Bestimmung noch einer Ergän- 
zung bedurft. 
Man hat nämlich erkannt, daß vorzugsweise in den wenig 
bemittelten Klassen nicht erst eine „außergewöhnliche“ Kinder- 
belastung nötig ist, um zwei Personen mit gleichem 'Einkom- 
men verschieden steuerfähig zu machen, je nachdem Verhält- 
nisse dieser Art vorliegen oder nicht. Schon der Umstand, 
daß jemand verheiratet ist und für die Erhaltung und Er- 
ziehung von auch nur ein oder zwei Kindern zu sorgen hat, 
verringert seine Steuerfähigkeit gegenüber demjenigen, der 
unter sonst gleichen Verhältnissen Junggeselle ist. 
Von solchen Erwägungen ausgehend, stellte die II. Kammer 
des Landtags 1901/02 den Antrag, nach dem Beispiele Preußens 
den Einkommensabzug von 50 M. für jedes Kind unter 14 Jahren 
  
1) Im Einkommensteuergesetz von 1874 war diese Grenze nur bis auf 
1600 M. festgesetzt. Durch das Gesetz von 1878 wurde dieselbe auf 3300 M. 
und durch die Novelle von 1894 auf 5800 M. erhöht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.