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durch sie der gewissenhafte Steuerzahler durch den gewissen-
losen unterdrückt und das Gewissen des einzelnen auf :das
härteste beschwert werde. Die Steuerdeputation der II. Kam-
mer aber war von vornherein anderer Ansicht. Sie war davon
überzeugt, „daß der Staat in der Gegenwart bei seinen Bürgern
ein gereifteres Bewußtsein von den Pflichten voraussetzen
dürfe, welche sie ihm gegenüber zu erfüllen haben, als dies
in den ersten Jahren nach Einführung der Verfassung zulässig
erschien .... Sie erachtet — so führte die Deputation weiter
aus — die Selbstabschätzung, so wenig sie sich die damit ver-
knüpiten Schwierigkeiten verhehlt, für auf die Dauer unent-
behrlich im Interesse gerechter Besteuerung und zugleich für
einen wesentlichen Hebel der politischen Erziehung des
Volkes.“1)
Insbesondere hielt man jene Einkommensgrenze von
1600 M. aus praktischen Gründen für zu niedrig. Man führte
an, daß denjenigen, die keine ordentliche Buchführung, über-
haupt keinen klaren Überblick über ihre Einkommensverhält-
nisse haben, auch nicht die Fähigkeit zur Abgabe einer rich-
tigen Deklaration zugemutet werden könnte. Aus diesem
Grunde schlug denn auch die Regierung im Dekrete vom
29. November 1877 vor, jene Grenze von 1600 M. auf 3300 M.
zu erhöhen. Indessen drang dieser Vorschlag im Landtage
nicht durch, und so hat man an der Einkommenshöhe von
1600 M. bis heute festgehalten.
Den soeben berührten, der Durchführung der Einkommens-
besteuerung zum erheblichsten Vorwurf gemachten Schwie-
rigkeiten, eine „ziffermäßige Angabe des Einkommens nach
bestem Wissen und Gewissen“ auch von solchen Personen zu
verlangen, die beim besten Willen nicht imstande sind, anzu-
geben, was sie im Jahre an Geld und Geldeswert eingenommen
und ausgegeben haben — was namentlich für die kleinen Land-
wirte gilt —, kann übrigens in sehr wirksamer Weise die Spitze
geboten werden. In dieser Beziehung verdient jene sächsische
Bestimmung Erwähnung, nach welcher bei Einkommen, ‚‚dessen
Betrag nur durch Schätzung gefunden werden kann, es ge-
nügt, wenn der Beitragspflichtige in die Deklaration statt der
ziffermäßigen Angabe des Einkommens diejenigen Nachwei-
sungen aufnimmt, deren die Kommission zur Schätzung des-
selben bedarf, und sich zu jeder etwa erforderlichen Ergänzung
dieser Nachweisungen nach Maßgabe der ihm vorzulegenden
Fragen erbietet“ ($ 40 Abs. 2). Auf diesem Wege sucht man
also die wesentlichen Vorzüge der Ertragssteuern — insofern
man sich zur Ermittelung des Einkommens an sichere, äußere
Merkmale hält — mit denen der Einkommensteuern zu ver-
1) S. Gensel in Hirths Annalen 1874 S. 1471.