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schränkte Ergänzungssteuer angeführt wurden, vermochten die
Deputationsminderheit in ihren Ansichten nicht umzustimmen,
nach wie vor hielt sie an ihrem Standpunkte fest.
Im Plenum der Ersten Kammer wurde — trotz aller
Bemühungen des Finanzministers, den von der Deputationsmehr-
heit beschlossenen Entwurf durchzusetzen — die allgemeine
Vermögenssteuer mit 34 gegen 8 Stimmen abgelehnt und der
Hauptantrag (A). der Minorität mit 20 gegen 19 Stimmen an-
genommen, jedoch fiel der Teil jenes Antrags, der eine Grund-
steuerrevision und zwar zunächst in den Städten zum Gegen-
stand hatte, mit 20 gegen 19 Stimmen.
Als Gründe gegen die allgemeine Vermögenssteuer
und für die Beibehaltung der Grundsteuer führte man in
der I. Kammer an, daß mit dem Wegfall der letzteren Steuer
den derzeitigen Grundbesitzern ein unbilliges Geschenk auf
Kosten der anderen Steuerzahler gemacht würde, da die Grund-
steuer in Sachsen zum großen Teile einen reallastartigen Cha-
rakter gewonnen habe. Man verwarf auch das bei Wegfall der
Grundsteuer beschlossene Auskunftsmittel der Fiktion der
Grundsteuerentrichtung mit Bezug auf politische Rechte, man
wies andererseits auf die sicheren Einnahmen aus der Grund-
steuer hin und trat für die Beibehaltung der Dotation an die
Schulgemeinden ein. Endlich hob man nicht mit Unrecht hervor,
daß selbst in der Regierungsvorlage durch jenen sogen.
3 Pfiennig-Paragraph die Aufrechterhaltung der Grundsteuer
als Staatssteuer, wenn auch in verhüllter Form, in Aussicht
genommen sei, daß es aber unerwünscht sein könne, durch
Einräumung eines solchen Wahlrechts in bezug auf die Veran-
lagung zur Vermögenssteuer in Steuersachen die Grundbesitzer
zu einer Art Spekulation anzuregen.
Die Zweite Kammer hielt nach wie vor an ihren Be-
schlüssen fest. So war denn mit einem entmutigenden Gefühl
an ein glückliches Zustandekommen des Steuerreformwerks zu
denken, als die Deputationen beider Kammern zum Vereini-
gungsverfahren zusammentraten, denn auf der ganzen Linie
herrschten große Meinungsverschiedenheiten über die Mittel
und Wege der Reform. Und dennoch gelang es unter dem
Drucke der finanziellen Verhältnisse und in der Erkenntnis, daß
zur dauernden Deckung der erhöhten Staatsbedürfnisse etwas
geschehen müsse, das Schiff vor dem Schiffbruch zu retten.
Nach längeren Verhandlungen kam man zu folgenden positiven
Ergebnissen:
Die I. Kammer gab bei der Einkommensteuer insoweit nach,
als sie den von der II. Kammer angenommenen erhöhten Steuer-
tarif auf 4 Jahre (von 1904 bis mit 1907) bewilligte. Bis dahin,
meinte sie, ließe sich mit Sicherheit beurteilen, ob die dauernde
Erhöhung der Steuersätze um rund 250% notwendig sei. Ferner
stimmte sie dem sogen. Kinderparagraphen zu, jedoch mit der