— 205 —
Abänderung, daß mit Rücksicht auf den hierdurch entstehenden
Steuerausfall der den Familienhäuptern bewilligte Abzug von
50 Mark auf Kinder zwischen 6 und 14 Jahren beschränkt
wurde.
Dagegen akzeptierte die II. Kammer die von der I. Kammer
beschlossene Beibehaltung der Grundsteuer als Staatssteuer.
Die Schuldotation aber wurde auf 2 Pfennige von den beim
Rechnungsabschlusse auf das Jahr 1900 vorhanden gewesenen
Steuereinheiten beschränkt (Art. III, Gesetz vom 3. Juli 1902).
Beide Kammern faßten den Beschluß, eine Ergänzungs-
steuer auf das bewegliche, genauer auf das von der Grund-
steuer nicht getroffene Vermögen einzuführen. Der von der
I. Kammer angenommene Antrag (A) der Deputationsminorität,
neben der Grundsteuer eine Ergänzungssteuer auf das Einkom-
men aus Rentenkapital und aus gewerblichem Kapital im An-
schlusse an die Einkommensteuer einzuführen, fiel sonach im
Vereinigungsverfahren. Jedoch sicherte die Regierung Instruk-
tionsbestimmungen zu, welche den Veranlagungskommissionen
das Mittel in die Hand geben sollten, für den Fall, daß es an
Deklarationen und anderen ausreichenden Unterlagen fehlt, den
gemeinen Wert des beweglichen Vermögens (Kapitals) auf
indirektem Wege unter Zugrundelegung der bei der Einkom-
mensteuer ermittelten Erträge desselben und eines bestimmten
Kapitalisierungsfaktors (20 bei gewerblichem Anlage- und Be-
triebskapital, 25 bei dem sonstigen Kapitalvermögen) Lestzu-
stellen.!)
Fast wäre in letzter Stunde noch das ganze Reformwerk
an einer Klippe gescheitert, wenn nicht die Regierung und die
II. Kammer unter dem Drucke der Notwendigkeit einer Reform
der direkten Steuern nachgegeben hätten. Die Regierung und
II. Kammer forderten nämlich die Heranziehung des land- und
forstwirtschaftlichen Betriebskapitals als von der Grundsteuer
nicht mitbelastet zur Vermögenssteuer. Man berief sich hierbei
auf die Geschäftsanweisung zur Abschätzung des Grundeigen-
tums vom 30. März 1838, nach welcher bei der Ermittelung des
„Reinertrags“ von Grund und Boden gewisse Beträge für Ver-
zinsung und Unterhaltung des toten und lebenden Inventars
vom Rohertrage in Abzug zu bringen waren.?) Die I. Kammer
vertrat dagegen die Auffassung, daß in der Grundsteuer schon
eine Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs-
kapitals enthalten sei, wobei sie sich namentlich darauf stützte,
daß unter der Herrschaft der alten Gewerbe- und Personal-
steuer nur der Pächter, nicht auch der Selbstbewirtschafter
Gewerbesteuer zu zahlen hatte. Daher beharrte sie mit aller
Energie auf der Forderung, daß nur das land- und forstwirt-
ı) Vgl. Ber. I 1901/02 No. 242 S. 16; Ber. II 1901/02 No. 302 8. 16.
2) Vgl. $ 23 Ziff. 1, $ 31 Abs. 2, $$ 37, 38, 56, 58, 63, 85, 90, 95 der ge-
nannten Geschäftsanweisung und die ihr beigefügten Tabellen.