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I. Allgemeiner Theil.
Kap. I.
82. Theorie.
Mit wenigen Ausnahmen!! wird in unserer modernen Staats-
ordnung jedem Menschen gleich bei seiner Geburt die Zugehörig-
keit zu einem Staatsverbande mit in die Wiege gelegt!?”: das Kind
folgt entweder der Nationalität seiner Eltern? (sog. jus sanguinis),
oder es ist Unterthan desjenigen Iaandes, in dessen (Gebiet es
das Licht der Welt erblickt!* (sog. jus soli. Will es nun der
Zufall, dass dieses Kind in einem Lande geboren wird, wo das
jus.soli besteht, und sind seine Eltern Unterthanen eines Staats,
wo das jus sanguinis die Nationalität bestimmt, so ist es unzweifel-
haft de jure et de facto gleichzeitig ein Glied zweier Volksgemein-
schaften; es besitzt somit eine mehrfache Staatsangehörigkeit.
Ein Individuum kann jedoch auch nach seiner Geburt in
Folge freier Wahl, oder kraft Gesetzes ohne sein eigenes Zuthun
in den Verband eines anderen Staates kommen, als desjenigen,
dessen Angehöriger es seit seiner Geburt gewesen ist. Verabsäumt
der Betreffende, die von den Gesetzen seines Heimathstaates vor-
geschriebene Entlassung zu nehmen, an welche dieser allein die
Lösung des Unterthanenverhältnisses knüpft, oder lässt dieser
gegebenenfalls die Staatsangehörigkeit nicht ipso jure erlöschen, so
wiederholt sich dasselbe Schauspiel wie vorhin: der Betreffende
befindet sich im Falle einer mehrfachen Staatsangehörigkeit; es
ist zu der ersten eine zweite hinzugekommen und beide bestehen
gleichzeitig nebeneinander.
1! Der sog. Heimathlosen, die als Kinder von Eltern auf die Welt kommen,
welche selber nicht im Besitze einer Staatsangehörigkeit sind.
2 BLuntscauı, De la qualite de citoyen d’un etat au point de vue des
relations internationales (Rev. de dr. int. II, 1870 S. 108). — LAURENT, Le droit
civil international, Paris 1881 III, S. 177, 178.
12 Wie in den Staaten des Kontinents.
14 Wie in den südamerikanischen Staaten.