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bei Entstehung neuer Steuerobjekte, vorzugsweise also bei Neu-
bauten (8 21). Hierbei sind „Unverhältnismäßigkeiten gegen-
über der Besteuerung der bereits vorhandenen Gebäude sorg-
fältig zu vermeiden; die Mietwerte der neuen Gebäude sind des-
halb in keinem Falle ohne weiteres nach Maßgabe der Ertrags-
verhältnisse der neueren Zeit auszuwerfen, sondern nach vor-
heriger Vergleichung der tatsächlichen Nutzungsfähigkeit der
neuen und der älteren Gebäude unter Anlehnung an die bereits
feststehende Besteuerung der alten Schätzungsweise zu er-
mitteln.“!)
Nur wegen der Schwierigkeiten häufiger Revisionen hatte
man sich bei Einführung der Grundsteuer im Jahre 1844 für
jene Stabilität derselben entschieden.
Daß die Unveränderlichkeit der Grundsteuer aber nicht im Sinne der
Stände lag, ist aus einem Deputationsberichte der II. Kammer des Landtags
1842/43 2) zu entnehmen. Hs heißt dort: ‚Der Staat ist das Bild eines
lebendigen, stets bewegten Wesens, seine Auen wie seine sterilen Schollen,
seine Paläste wie seine Hütten sind dem tausendfach mannigfaltigen Betriebe
seiner Bewohner schon in Jahrzehnten ebenso tausendfachen Veränderungen
unterworfen. Das was heute scinem Besitzer reichliche Ernte bringt, gibt
ihm vielleicht nach Jahrzehnten wenig oder nichts, und das, was jetzt als
Ödung das Auge betrübt, sieht man in vielleicht nicht ferner Zukunft mit
goldenen Früchten bedeckt. Will daher der Staat, der seine Steuer zu einer
Zeit verlangte, wo ihm solche Veränderungen und das Maß derselben un-
bekannt waren, solche nicht berücksichtigen, will er denselben niemals und
zu keiner Zeit. einen Einfluß zugestehen, sondern die einmal auferlegte
Steuer als unveränderlich für ewige Zeiten erklären, so wird er damit zu-
gleich alle Ungleichheiten verewigen, die in der Belastung desGrundeigentums
im Laufe der Zeit unabweislich entstehen müssen.
Sprechen sonach die Sätze der Theorie jedenfalls dafür, die Ver-
änderlichkeit der Grundsteuer zum Prinzip zu erheben, so darf doch andrer-
seits der praktische Gesichtspunkt nicht ohne Würdigung bleiben.
Bilden sich bekanntlich jene Veränderungen überraschend schnell aus,
darf ohne Scheu die Behauptung hingestellt werden, daß schon in einem
Jahrzehnt in allen Orten des Vaterlandes, ja vielleicht an jedem Grundstücke
wesentliche, den Ertrag erhöhende oder abmindernde Veränderungen vor-
gekommen sein werden, so würde nach der Theorie der Veränderlichkeit der
Grundsteuer schon von je zehn Jahren zu zehn Jahren eine durchgreifende
Abschätzung geboten sein, welcher, kaum vollendet, schon wieder die nächst-
stehende auf den Fuß folgen müßte.
Es darf endlich, wie auch die Motive erwähnen, nicht unvergessen
bleiben, daß zeitige und öftere Gesamtrevisionen demjenigen gleichsam wie
eine Strafe folgen, der durch Tätigkeit und Umsicht und durch Verwendung
von Mitteln seinem Besitztum den höchstmöglichen Ertrag abzugewinnen
suchte, während sie die Unwirtlichkeit zu belohnen scheinen.
Hilt man diese praktischen Gesichtspunkte mit der Theorie der Ver-
änderlichkeit der Grundsteuer zusammen, so dürften mindestens nach der
Meinung der Deputation die ersteren die letzteren überwiegen, und deshalb
die Unveränderlichkeit der Grundsteuer zwar als das oberste Prinzip fest-
1) Verordn. des Finanzministeriums vom 23. Novbr. 1858 (Mitteilungen
aus der Verw. d. direkten Steuern II S. 249, IV S. 202).
2) L.-A. 1842/43, Beil. der II. K. 3. Sammlung S. 425 ff.