296 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Lipowsky war Abends bei mir, um über die fremde Presse zu klagen
und mich im Auftrag des Königs zu bitten, Schritte dagegen zu tun. Sein
eigentlicher Zweck war aber zu hören, ob ich ihm nicht etwas über den
Nachfolger des kranken Ministers von Pechmann sagen würde. Er machte
sich sehr lieb und schien auf eine Eröffnung der Art zu warten. Ich
schwieg aber. Außerdem sprach er von Gerüchten über den König und
beklagte sich über die Münchner und ihre bösen Zungen.
Heute kam die Prinzeß Maria Theresia mit dem Prinzen Ludwig#
an. Ich empfing sie mit Moy und Trauttmansdorff auf dem Bahnhof.
Sie glänzte ganz in ihren neuen Toiletten und war sehr nett und graziös.
Wir wurden vorgestellt, begleiteten sie an den Wagen und fuhren dann
nach Hause. Die höchsten Herrschaften hielten ihren feierlichen Einzug,
von dem ich nichts sah. Der König liegt zu Bett. Es gibt wenig Leute,
die glauben, daß er krank sei.
München, 24. Februar 1868.
Fröbel erzählt mir soeben, daß er von Baron Gruben, dem Taxisschen
Beamten in Regensburg, neulich einen Mahnbrief erhalten habe, sich mit
der klerikalen Partei zu verständigen. Gruben ist, wie mir Fröbel sagt,
ein Agent des Jesuitenordens, der zum Fürsten Taxis gesetzt ist, um das
große Vermögen im Interesse des Ordens zu exploitieren. Er war mit
Dörnberg der Hauptagent während des Fürstentages im Jahre 1863 und
hat damals mit Fröbel das Verfassungsprojekt beraten und dem Kaiser
vorgelegt, jedoch die zu demokratischen Beisätze Fröbels gestrichen, woran
dann die Sache scheiterte. Man hatte damals in Regensburg weitgehende
Pläne; der Erbprinz sollte die Rheinlande bekommen, und es wurde des-
halb auch mit Napoleon unterhandelt. Daher die Wut der Regensburger
Ultramontanen gegen Fröbel.
Pascal Duprat, der bekannte Republikaner, war kürzlich hier bei
Fröbel und hat ihm seine Erlebnisse in Ungarn, woher er kam, erzählt.
Die ungarische Linke zweifelt an dem Fortbestand des gegenwärtigen
liberalen Regimes in Oesterreich und unterhandelt deshalb schon in Aus-
sicht auf eintretende Katastrophen mit den Südslawen, um das große Donau-
reich oder die Donauföderation zustande zu bringen oder vorzubereiten.
wicklung gebildet worden war, war im Januar 1868 aus der Schweiz nach Frank-
reich übergetreten. Am 20. Februar wurde Graf Beust in den Delegationen wegen
der massenhaften Uebersendung österreichischer Pässe für die Welfenlegionäre durch
die Wiener Polizeidirektion in die Schweiz und wegen der Bankettrede des Königs
Georg interpelliert.
1) Prinz Ludwig von Bayern hatte sich am 20. Februar 1868 zu Wien mit
Maria Theresia, Erzherzogin von Oesterreich-Este-Modena, vermählt.