Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (I870 bis 1874 95 
daß Unruhen daraus entstehen, verwirft er. Seien einmal die Gesetze 
angenommen, so werde die Agitation von selbst aufhören. Man werde 
übrigens Energie genug haben, um Gesetzesüberschreitungen zu unter- 
drücken. 
In der Soiree bei Bismarck fand ich Sybel, der mir die Ansicht 
Friedbergs bestätigte. „Wie kann man glauben,“ sagte er, „daß die 
Bischöfe, die sich in Rom so erbärmlich benommen haben, den Mut finden 
werden, Bismarck entgegenzutreten!“ Nur beklagte er, daß Falk aus 
Rücksicht auf die Kaiserin etwas zu vorsichtig gegenüber den Schulbrüdern 
auftrete. Dann zog mich Bismarck beiseite und sprach mir von seiner 
veränderten Stellung. 1) Er sehe mehr und mehr, daß er recht daran getan 
habe, die Stellung im preußischen Ministerium aufzugeben. Dadurch komme 
mehr Klarheit in das Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich. Der 
Kaiser müsse sich erst daran gewöhnen, einzusehen, daß er als Kaiser mehr 
sei als in seiner Eigenschaft als König von Preußen. Der Keisertitel 
komme ihm vor wie der Majorstitel eines Schwadronschefs. Dann zu 
den bayrischen Verhältnissen übergehend, beklagte er das Mißtrauen der 
hiesigen leitenden militärischen Kreise gegen den Oberst Fries, den er nicht 
für geeignet hält, weil er nicht die nötige hervorragende Stellung ein- 
nehme (d. h. weil er nur Oberst ist). Ein bayrischer General, der wisse, 
was er wolle, der die bayrischen Sonderrechte offen verteidige, aber nicht 
finassiere, sei hier notwendig. Einen Teil der Schuld wirft er auf Perglas, 
von dem er behauptet, daß er weniger reichsfreundlich sei als der König. 
von Bayern und daß man in Berlin doch wünschen müsse, einen bayrischen 
Gesandten zu haben, der ebenso weit gehen wolle wie sein König. Wir- 
wurden dann gestört, und ich konnte nicht darauf antworten. Auch hätte- 
ich nur sagen können, daß Perglas denn doch die geheimen Gedanken seines 
Monarchen vertritt, was ich aber selbstverständlich nicht gesagt haben würde. 
Berlin, 3. April 1873. 
In den letzten Tagen ist die Besetzung des Botschafterpostens in 
London hier viel besprochen worden. Ich hörte zunächst davon durch. 
Hermann, 2) dem der Kronprinz seinen Wunsch aussprach, ihn als Bot- 
schafter dort zu sehen. Der Kronprinz wird wohl auch mit Bismarck 
darüber gesprochen haben, und dadurch muß das Gerücht sich verbreitet 
haben und auch auf mich bezogen worden sein. Roggenbach ist der An- 
nahme, der er begegnete, entgegengetreten, daß ich mich um den Posten 
  
1) Fürst Bismarck war am 21. Dezember 1872 auf sein Gesuch von dem Amte 
des Ministerpräsidenten enthoben worden. Am 1. Januar 1873 war Graf Roon. 
sein Nachfolger geworden. 
2) Den Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg.
	        
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