Im Reichstage (1870 bis 1874) 103
„Freigesinnt, sich selbst beschränkend,
Immerfort das Nächste denkend,
Tätig treu in jedem Kreise,
Still beharrlich jeder Weise,
Nicht vom Weg, dem graden, weichend
Und zuletzt das Ziel erreichend."“
Ich nehme das Wort als ein erfreuliches Zeugnis mit fort. Gneist
sprach dann sehr gut wie immer und zuletzt Völk, sein Lieblingsthema,
die Ultramontanen, berührend.
Heute ist Sitzung bis 3 Uhr, dann Pause und Abendsitzung. Donnerstag
wird wohl alles vorüber sein.
Bismarck hat sich von den Geschäften des preußischen Ministeriums
beurlauben lassen. Wissende meinen, daß er dies tue, um seine Gegner
besser aus dem Sattel zu heben. Er werde vorläufig den Geschäften fern-
bleiben und dann, wenn es an die Beratung der Militärorganisation geht,
sagen, er könne diese nur mit einem homogenen Ministerium durchsetzen.
Dann werden Roon und Eulenburg fallen und an die Stelle des letzteren
Forckenbeck treten. Er hat recht, es zu tun, wenn er es durchsetzt.
Heute Beratung über die Zustimmung zu der Katholikenadresse. Es
fanden sich nur wenige, um die Sache zu unternehmen. Völk ist dafür,
auch Bürgers. Die andern wollen nichts davon wissen. Ich drängte
nicht und lasse die Sache fallen.
Berlin, 25. Juni 1873.
Heute Schluß der Session. Bismarck schloß den Reichstag am Ende
der letzten Sitzung.
Gestern Abend war ich noch in der Restauration Rubin, wo ich neben
Margquardsen saß, der mir sagte, ich würde ohne Schwierigkeiten in meinem
Wahlkreise wiedergewählt werden. Miquel, der auch dort war, sprach
seine Indignation über den Minister Eulenburg aus, der die wichtigsten
Stellen seinen Freunden und Verwandten gebe. Der Präsident Eulenburg
in Hannover tauge nicht, noch weniger der Präsident in Breslau, Norden-
flycht, der sogar ultramontane Velleitäten habe. Man müsse jedenfalls
im nächsten preußischen Landtage Eulenburg stürzen.
Heute war noch eine wenig besuchte Fraktionssitzung, wo Bernuth der
Fraktion den Dank des Vorstands, Schleiden dem Vorstande den Dank
der Fraktion aussprach. Man verhandelte dann noch, ob man sich an der
Debatte über die Besetzung oder Nichtbesetzung des römischen Postens be-
teiligen wolle. Löwe, der seinen Antrag auf Streichung des Botschafter-
postens bringen wollte, besann sich auf meinen Rat eines Besseren und
sprach nicht.
Heute den 26. bei Simson. Dieser glaubt, daß keine Wahlen statt-
finden werden, sondern derselbe Reichstag wieder berufen werden wird.