Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

114 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
hatte, es sei nötig, diesem Antrage zuvorzukommen durch baldige Er- 
nennung eines Stellvertreters des Reichskanzlers mit ganzer Verantwort- 
lichkeit. Ich wurde sogar gebeten, die Sache vorzubereiten, damit der 
Antrag vom Fürsten Bismarck selbst ausgehe und er dem Kaiser mit der 
Sache auch gleich die Person vorschlage. 
Gern übernahm ich das nicht, aber der ernsten Pflicht wollte ich mich 
um so weniger entziehen, als nur wenige Lust tragen, so heikle An- 
gelegenheiten zu behandeln und mir das Reichsinteresse zu hoch steht, als 
daß ich scheuen durfte, in Verlegenheiten zu geraten. 
Ich tat meine Schritte mit großer Vorsicht und befolgte besonders 
der Fürstin Bismarck gegenüber das gleiche Verfahren wie beim ersten 
Besuche. Die Absicht von Windthorst kam mir besonders gelegen, und da 
die Fürstin sogleich Manteuffel im Hintergrund befürchtete, so erschien ihr 
Ihr verehrter Name als eine wahre Rettung in der Not. Meine Ver- 
sicherung, daß der Vorschlag lediglich von mir ausgehe und Sie demselben 
ganz fremd seien, wiederholte ich um so eindringlicher, als ich ihr darlegte, 
der ganze Vorschlag, sowohl sachlich als persönlich, habe nur dann Wert, 
wenn Fürst Bismarck ihn selbst aufnehme und durchführe; deshalb hätte 
ich auch nichts andres unternommen, als die Frage durch Vermittlung der 
Fürstin beim Fürsten anzuregen. Nehme der Fürst die Frage auf, so 
stehe es ja dann bei ihm, die Person seines Vertrauens zu wählen. Ich 
schied von der Fürstin mit der Ueberzeugung, daß sie mich richtig ver- 
standen habe und hier keine Irrung möglich sei, also auch das Mißtrauen 
ausgeschlossen sei, als seien Sie bereits im Einverständnis mit mir. Dies 
erwähne ich ganz besonders, da ich weiß, wie vorsichtig man sein muß, 
um solches Mißtrauen nicht zu erwecken und weil ich es Ihnen schuldig 
bin, zu erklären, daß ich diese Seite der Frage gewissenhaft beachtet habe. 
Infolge Ihres freundlichen Briefes habe ich heute sofort an die 
Fürstin Bismarck geschrieben, um sie zu bitten, dem Fürsten mitzuteilen, 
daß Sie inzwischen von meinen Vorschlägen Kenntnis erhalten haben und 
an mich die Bitte richteten, Ihren bestimmten Wunsch an maßgebender 
Stelle auszusprechen, man möge von Ihrer Person Abstand nehmen, da 
Sie nicht imstande seien, einen solchen Antrag anzunehmen. Ich fügte hier 
noch das Nötige bei, um wiederholt jedem weiteren Mißverständnis vor- 
zubeugen. 
Ich glaube nun nach Ihren Wünschen gehandelt zu haben und hoffe, 
daß Sie auch mein bisheriges Handeln als gerechtfertigt betrachten 
werden. 
Seit einigen Tagen soll eine wesentliche Besserung in dem Befinden 
des Reichskanzlers eingetreten sein, und wenn sich das bestätigt, so fällt 
die Voraussetzung für eine Stellvertretung selbstredend weg.
	        
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