Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 117 
Um 5 Uhr aß ich mit Gelzer und Forckenbeck in einer Restauration. 
Mir lag daran, Gelzer mit Forckenbeck bekannt zu machen, um Gelzers 
Absichten bezüglich einer Stellvertretung Bismarcks auf den jüngeren und 
kräftigeren Forckenbeck und von mir abzulenken. Ich glaube, das ist mir 
gelungen. Es wurde sehr langsam serviert, und das Diner endete erst 
um ½9 Uhr, so daß die Herren Zeit hatten, sich kennen zu lernen. 
Mich kostete diese Manipulation einundzwanzig Taler. 
Abends mit der Reichspartei bei Frankenberg, Radowitz war auch 
dort. Er stellte mir in Aussicht, mich in die orientalische Politik ein- 
zuweihen, mit der ich in Paris zu tun haben werde. Er glaubt, daß 
Arnim so bald nicht von Paris wegzubringen sei. Jedenfalls werde ich 
nicht vor Mitte Mai daran denken können, da zwei Botschafter in Paris 
zuviel wären. « 
Aus der Tischrede des Fürsten bei der von der Reichspartei 
veranstalteten Abschiedsfeier am 24. April. 
.. Meine Herren! Sie geben mir heute Gelegenheit, es auszu- 
sprechen, von welchem schmerzlichen Gefühl ich bewegt bin bei dem Ge- 
danken, daß ich nun von dem deutschen Reichstag Abschied nehmen soll 
und damit von einer Versammlung, in der mir Auszeichnung und Nachsicht 
in einem Maße zuteil geworden ist, das mit meinen Leistungen in keinem 
Verhältnis steht. 
Sie geben mir Gelegenheit, es auszusprechen, wie hoch ich mich geehrt 
fühle, einer Versammlung angehört zu haben, die berufen war, die Grund- 
lagen der deutschen Einigung festzusetzen. 
Ja, meine Herren, unfre Nachkommen werden uns beneiden, daß wir 
zur Arbeit berufen waren in einer der glänzendsten Epochen der deutschen 
Geschichte. Unsre Nachkommen werden uns beneiden, daß uns das Glück 
zuteil geworden ist, die ersten Hammerschläge zu tun auf dem Grundstein 
des deutschen Neubaus. Meine Herren, Sie haben mir durch den Mund 
Ihres Redners anerkennende Worte aussprechen lassen. Ich gehöre nun 
leider zu den bescheidenen Menschen, und jedes schmeichelhafte Wort ver- 
liert bei mir sofort seinen Lustre durch die ätzende Lauge unerbittlicher 
Selbstkritik. So weit aber geht meine Bescheidenheit nicht, daß sie mir 
den Stolz und das Selbstvertrauen nehmen könnte, welche ich aus der 
Tatsache schöpfe, daß ich in allen Legislaturperioden durch das Vertrauen 
der Vertreter des deutschen Volks auf die zweite Ehrenstelle des deutschen 
Reichstags erhoben worden bin, daß ich dieses Vertrauens in diesen Jahren 
nicht verlustig gegangen bin. Diese Tatsache ist die beste Mitgabe für 
einen Botschafter, der berufen ist, Kaiser und Reich bei einer Nation zu
	        
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