Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 5 
Später kam die Unterhaltung auf Oesterreich. Roggenbach bestritt 
das Bevorstehen des Zerfalles der österreichischen Monarchie, da in der- 
selben manche Elemente seien wie Ungarn und Polen, die durch das Zer- 
fallen nichts gewinnen, sondern nur verlieren könnten. 
Um ½11 Uhr wurden wir entlassen mit der Versicherung, bald 
wieder berufen zu werden. Auf dem Heimwege sprach Roggenbach über 
die hiesigen Zustände. Er erzählte, daß Bismarck die Absicht habe, den 
König zur Annahme der deutschen Kaiserkrone zu bewegen. Er schmeichelt 
sich, daß die Könige von Württemberg und Bayern durch ihre Demokraten 
so in Verlegenheit geraten werden, daß ihnen die Anlehnung an Preußen 
als etwas Erwünschtes erscheinen werde. Was Bayern betrifft, so irrt 
sich Bismarck. Auch soll Bismarck geäußert haben: So könne es nicht 
mehr bleiben, man müsse weitergehen, und er mache sich nicht auf einen, 
sondern auf vier Kriege gefaßt. Preußen sei aber in der Lage, diese 
Kriege siegreich zu führen. 
Berlin, 24. April 1870. 
Gestern ging ich nach der Sitzung, welche wegen Mangel an Beschluß- 
fähigkeit im Sande verlief, mit Löwe spazieren. Er erzählte viel von der 
Unzufriedenheit über das protestantische Cliquenwesen des Ministers Mühler. 
Aus seinen Aeußerungen entnehme ich aber, daß man an der Idee des 
deutschen Einheitsstaates in allen liberalen Fraktionen festhält und trotz 
Mühler und Eulenburg die Regierung in ihrer Aktionspolitik unterstützt. 
Von Föderalismus will man nichts wissen. Das sagte mir auch Bennigsen 
ganz entschieden. Südbund, weiterer Bund u. s. w. sind alles Utopien. 
Es handelt sich um Krieg und Frieden. Wenn die Ultramontanen nicht 
wollen, müssen sie sich auf den Krieg gefaßt machen. Man scheint sich 
hier darauf vorzubereiten. 
Berlin, 27. April 1870. 
Vorgestern Abend war die erste Versammlung der süddeutschen Ab- 
geordneten der Fraktion „zur Mainbrücke“. Ich fand dort u. a. Bluntschli, 
Bamberger, Rochau und die Bayern. Man saß um einen großen Tisch 
und trank Bier. Barth hatte den Vorsitz. Es wurde viel über die Tarif- 
vorlage ) gesprochen. Roggenbach sprach sehr vernünftig und sachgemäß. 
Bluntschli schlug am Ende der Beratung vor, ein gemeinschaftliches Essen 
mit andern Nationalen zu halten, was von einigen Mitgliedern freudig 
begrüßt wurde. Im stillen hatten Roggenbach und Bamberger Bedenken. 
  
)) Die Debatte darüber begann am 29. April. Die Regierung hatte auf 
die früher projektierte Petroleumsteuer verzichtet, dagegen eine Erhöhung des Kaffee- 
golls vorgeschlagen.
	        
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