Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

  
Sechstes Buch 
Botschafter in Paris 
1874 bis 1885 
  
  
  
Paris, 22. Mai 1874. 
A umst in Paris Montag Abend den 18. Mai. Den 19. früh im 
Botschaftshotel. Nachmittags Promenade auf den Boulevards. Diner 
bei der Fürstin Wittgenstein. 
Den 20. Besichtigung des Botschaftshotels. Besuch bei Apponyi. 
Um 6 Uhr bei Decazes. 1) 
Nach den üblichen gegenseitigen höflichen Redensarten ging Decazes 
auf die gegenwärtige Situation ein. 2) Er meint, daß die konservative 
Partei sich wieder sammeln und zur Besinnung kommen werde. Das 
Ministerium sei noch nicht gebildet, aber es werde zustande kommen. 
Ihm sei es lieb, daß das nicht zu schnell geschehe, er wolle kein replätrage, 
sondern etwas, was mehr Aussicht auf Dauer habe. Die Konservativen 
müßten erst empfinden, daß sie vor einer Gefahr ständen. Die heutigen 
Gerüchte bewiesen, daß das Mittel, das Publikum zu beunruhigen, gewirkt 
habe. Was ihn betreffe, so sei er gern bereit, Minister zu bleiben, da 
er stets seinem Lande dienen wolle, wenn er nützlich sein könne. Aber 
er wolle wissen, wie er daran sei. Er werde daher, und das habe er 
auch dem Marschall erklärt, bleiben, wenn ihm die Kollegen, die Goulard s) 
zusammenbringen werde, gefielen und wenn das Programm seinen An- 
sichten entspräche. Dieses Programm sei Organisation der Attribute des 
Marschalls auf diese oder eine andre Weise. Ueber die Einzelheiten könne 
man sich verständigen. Wenn er aber die Geschäfte dauernd wieder über- 
nehmen sollte, so werde es sein eifrigstes Bestreben sein, die Beziehungen 
zwischen Frankreich und Deutschland, soweit es an ihm sei, zu den besten 
zu machen. Ich begnügte mich, ihm zu erwidern, daß ich mich glücklich 
schätzen würde, mit ihm in geschäftlichen Beziehungen zu bleiben und daß 
  
1) Duc Decazes, der Minister des Auswärtigen. 
2) Am 16. Mai hatte der Ministerpräsident Duc de Broglie für den der 
Nationalversammlung vorliegenden Entwurf des Wahlgesetzes die Priorität vor 
dem Gesetzentwurf über die Gemeindeverfassung gefordert und dabei die Vertrauens- 
frage gestellt. Die Regierung unterlag mit 317 gegen 381 Stimmen. Das Mini- 
sterium Broglie gab darauf seine Demission. 
3) Der Marschall hatte Goulard mit Bildung eines neuen Kabinetts beauf- 
tragt, der aber kein Ministerium zustande brachte.
	        
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