Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 125
mit dem Leiter der auswärtigen Politik in prinzipiellem Wiederspruch be-
findet. Nur wenn hier Uebereinstimmung herrsche, sei die Tätigkeit des
ersteren von Erfolg. Auch sei ich der Ansicht, daß das Bewußtsein, sich
in Uebereinstimmung zu befinden mit den Grundsätzen, nach denen die
Politik des Landes, dem man dient, geleitet wird, dem diplomatischen
Vertreter die zur Lösung seiner Aufgabe unentbehrliche Selbständigkeit gebe.
Was mich betrifft, so bin ich den Ereignissen, die sich unter der
Leitung Eurer Durchlaucht vollzogen haben, mit genügender Aufmerksamkeit
gefolgt, um zu wissen, daß ich mich mit Eurer Durchlaucht in Ueber-
einstimmung befinde, und ich zweifle nicht, daß dies auch in Zukunft der
Fall sein wird.
Zum Schlusse erlaube ich mir, unter Bezugnahme auf den ganz ver-
traulichen Erlaß vom 17. Mai d. J. zu bemerken, daß ich Graf Arnim
bei seiner Anwesenheit hier gesprochen habe. Ich habe mich darauf be-
schränkt, seine Versicherung, nicht zu wissen, wie er sich das Mißfallen
Eurer Durchlaucht zugezogen habe, stillschweigend anzuhören und ihm ge-
raten, sich fernerer Veröffentlichungen in der Presse im eignen Interesse
zu enthalten. Eine nachteilige Wirkung des vom Grafen Arnim hier
über mich gefällten Urteils habe ich bisher noch nicht empfunden.
Eure Durchlaucht werden meine Berichte noch etwas mager finden.
Zurzeit scheint mir aber, wie es nicht anders sein kann, Herr Lindau!)
besser unterrichtet als ich, und ich glaube wohl daran zu tun, mich auf
diejenigen Mitteilungen zu beschränken, die ich vermöge meiner amtlichen
Stellung allein zu beschaffen imstande bin.
Fürst Bismarck an den Fürsten Hohenlohe.
Varzin, 2. Juni 1874.
Telegramm.
Brief vom 30. mit Dank erhalten. Das darin benannte Blatt ver-
dient keine Beachtung, weil persönlich tendenziös.
Journal.
Paris, 3. Juni 1874.
Heute in Versailles in der Nationalversammlung.:) Eigentümlicher
Eindruck des Saales. Ueber dem Präsidentenstuhl oben an der Decke
die drei bourbonischen Lilien. Lindau, der mit mir war, zeigte mir die
Hauptpersonen. Gambetta, ein gemein aussehender, dicker, untersetzter Mann
mit langen schwarzen Haaren. Gréoy, ein Genre von Simson, er ist
nicht mehr Präsident. Jules Favre, Ricard, Crémieux, Léon Say,
1) Damals Attaché an der Botschaft.
2) Am 2. Juni hatte die Beratung des Wahlgesetzentwurfs begonnen.