Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 127
Prinzessin Klementine, vorstellte. Dann ließ ich mich durch den Hausherrn
dem Duc de Nemours vorstellen. Das Fest war halb in den Salons des
Erdgeschosses, halb im Garten. Bengalisches Feuer, bunte Lampen u. s. w.
Ein Chor des Conservatoire sang verschiedene Musikstücke. Der Duc de
La Rochefoucauld Bisaccia, Botschafter in London, ließ sich mir vorstellen.
Heute Mittag war der Prinz Joinville bei mir. Er sprach von den
Zuständen in Frankreich, lobte den Marschall, hob hervor, daß nur ein
Militär geeignet sei, Frankreich zu regieren, nachdem man es versäumt
habe, die Monarchie herzustellen. Er glaubt, Thiers hätte dies tun können
gleich nach der Niederwerfung der Kommune. Er meint, daß die National-
versammlung sich nicht dazu verstehen werde, die Auflösung zu beschließen,
ohne vorher die seconde chambre gebildet zu haben. Auf diese legt er
ganz besonderen Wert, weniger auf das Wahlgesetz für die Zweite Kammer.
Das ist auch sehr natürlich, weil die Orleans gerade durch diese Zweite
oder Senatoren-Kammer ihre Monarchie herzustellen hoffen. Ebendeshalb
aber werden die Republikaner nicht und die Legitimisten schwerlich darauf
eingehen. Der Prinz scheint sehr wohl informiert zu sein. Die Konversation
ist wegen der Taubheit schwer.
Paris, 3. Juli 1874.
Eben geht Reumont) von mir, der von Florenz kommt und sich hier
einige Tage aufhält. Nach allgemeiner Konversation kam die Rede auf
die kirchlichen Fragen und den deutschen Konflikt. Er beklagt denselben,
bestreitet dessen Notwendigkeit und stellt sich mehr, wenn auch nicht ganz,
auf die ultramontane Seite. Er bestreitet, daß die Kirche angefangen,
daß der Syllabus und die Unfehlbarkeitserklärung die Regierungen be-
rechtigten, sich auf die Defensive zu stellen, und vertritt den sentimentalen
Standpunkt seines alten Gönners Friedrich Wilhelm IV. Ich bemühte
mich, meinen und der Regierung Standpunkt und die Kirchengesetze zu
rechtfertigen. Aber umsonst. Als er nun sich immer nicht überzeugen
ließ, von der Kirchenverfolgung, von dem eisernen Fuß, den man auf den
Nacken der Kirche setze, und ähnlichem lamentierte, ging mir die Geduld
aus. Ich sagte ihm, ich hätte genug Erfahrungen mit den Ultramontanen
in Bayern gemacht, um sie zu kennen, und ich könne ihm nur versichern,
daß ich es gewesen, der dem Fürsten Bismarck geraten habe, sich der
Kirche gegenüber vorzusehen, und daß, wenn wirklich Fürst Bismarck den
eisernen Fuß auf den Nacken der Kirche zu setzen gezwungen sei, ich ihn
dabei nach Kräften unterstützen würde. Das erschreckte ihn, und er zog
ganz betroffen ab.
1) Alfred von Reumont, der Freund Friedrich Wilhelms IV., der damals in
Bonn lebte und regelmäßig im Frühjahr einen Aufenthalt in Florenz machte.