Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 129 
Paris, 16. Juli 1874. 
Heute Morgen Besuch bei Thiers. Er begann damit, mir zu sagen, 
daß er beabsichtigt habe, mich heute zu besuchen, um mir seine Teilnahme 
an dem Attentat 1) auszusprechen. Er sei mit dem Fürsten Bismarck schon 
seit langer Zeit befreundet, und die Friedensverhandlungen hätten dies 
Gefühl noch vermehrt. Der Fürst habe ihm die Sache sehr erleichtert und 
die Bedingungen so viel als möglich ermäßigt. „Je ne dis pas cela à mes 
Ccompatriotes qui trouvent du'’on a é6té beaucoup trop dur,“ aber seine 
Meinung sei es, und deshalb sei er Bismarck zu Dank verpflichtet. Er 
erzählte dann von den Attentaten Fieschi und Louvel. Von letzterem sagte 
er, er habe keine Teilnehmer gehabt. Im Augenblick allgemeinen leiden- 
schaftlichen Hasses handelten solche politischen Mörder immer allein. 
Fieschi habe Mitverschworene gehabt. Die Erzählung des Fieschischen 
Attentats war sehr interessant. Er war damals Minister des Innern und 
ritt neben Louis Philipp. An einer Stelle der Boulevards hörten sie plötzlich 
den Knall und waren in der größten Verwirrung, zweiundvierzig Menschen 
wurden teils getötet, teils verwundet, Thiers' Pferd wurde auch verwundet. 
Ein Marschall wurde getötet. Thiers ging dann mit einer Abteilung 
Gardes de Paris in das Haus, wo sie Fieschi fanden. Dieser hatte das 
Attentat im Auftrage der radikalen Partei jener Zeit ausgeführt, ohne 
selbst großes Interesse daran zu haben. „Je l’ai fait,“ sagte er, „comme 
on brüle des pétards.“ 
Dann kam Thiers auf die Lage. Er meint, Magne werde sich kaum 
halten können. :) Thiers bedauert das, denn Magne sei ein guter Finanz- 
minister aus der Schule des Barons Louis, eines finanziellen Genies, bei 
dem auch er in der Lehre gewesen sei. Es sei wahr, daß Magne Bona- 
partist sei, aber „un homme sensé“. Den Bericht des M. de Ventavon 
in der gestrigen Sitzung 3) nennt er „une chose ridicule“. Der Bericht 
sei sehr schlecht aufgenommen worden und werde verworfen werden. Was 
dann? Das weiß Thiers auch nicht. Er glaubt, daß gar nichts zustande 
kommen wird. Die Auflösung rücke immer näher. Entweder werde sich 
die Versammlung bald auflösen, und die Wahlen würden dann im Sep- 
tember stattfinden, oder man werde auseinandergehen, im Herbste wieder 
zusammenkommen und dann die Auflösung beschließen. „Je ne peux pas 
croire que I’assemblée passera Iannée“. Thiers will übrigens das Ende 
1) Kullmanns Attentat auf Bismarck in Kissingen am 13. Juli. 
2) Der Finanzminister Magne erbat am 15. Juli seine Entlassung, nachdem 
die Nationalversammlung die zur Deckung des Defizits beantragten neuen Steuern 
abgelehnt hatte. « 
3) Ueber den die Befugnisse des Marschalls betreffenden Artikel des konstitutio- 
nellen Gesetzes. 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 9
	        
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