Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

130 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
nicht abwarten, sondern früher aufs Land gehen, da er die Hitze nicht 
ertragen könne. Die Sitzungen in der nächsten Woche werden sehr stür- 
misch werden. 
Paris, 20. Juli 1874. 
Gestern Nachmittag war Thiers bei mir, um sich vor seiner Abreise 
nach der Schweiz zu verabschieden. Er sagt, es werde ihm hier zu heiß. 
Mir scheint, daß er seine Freunde allein arbeiten lassen will und sicher ist, 
daß er wieder gerufen wird, wenn etwa der Marschall gestürzt würde. 
Er erzählte vielerlei. So vom Jardin des Plantes. „Juai dépensé 
30 millions pour le Jardin des plantes“, nämlich als er unter Louis 
Philipp Minister war. Er rühmte die Sammlungen sehr, namentlich 
die Mineralien. 
Dann kam er auf Napoleon III. zu sprechen. Dieser habe ihn oft 
konsultiert. Persönlich vor dem Staatsstreich und durch Walewski während 
des Kaiserreichs. Im Jahre 1849 habe Napoleon nach der Schlacht bei 
Novara gegen Oesterreich Krieg führen wollen und deshalb Thiers 
gefragt. Dieser habe ihm entschieden abgeraten. Das sei ihm gelungen, 
nur weil er die notwendigen Dekrete vorgeschlagen, die den Kaiser dann 
stutzig gemacht hätten. Er rief dann Hübner herbei, der damals hier 
Geschäftsträger war, und bestimmte diesen, der österreichischen Regierung 
eine Verminderung der Friedensbedingungen vorzuschlagen, die dann 
auch angenommen und durch die der Krieg mit Frankreich abgewendet 
wurde. 
Er sprach dann von dem Krieg von 1866, von dem nachteiligen Ein- 
fluß, den die passive Haltung Napoleons, zu der Goltz ihn bestimmt hatte, 
auf das Kaiserreich ausgeübt habe. Von da an datiere der Verfall des 
Kaiserreichs. Die Kaiserin sei, ebenso wie die ganze bonapartistische Partei, 
der Ansicht gewesen, der Krieg sei nötig, um das Prestige Napoleons 
herzustellen. Sie habe gesagt: „Mon fils ne régnera jamais, si le pres- 
tige n’est pas rétabli par une guerre victorieuse.“ Die Deputierten 
seien eigentlich gegen den Krieg gewesen und hätten ihn gebeten, dagegen 
zu stimmen, aber aus Furcht, das Kaiserreich zu schädigen, hätten sie dann 
doch dafür gestimmt und ihn allein gelassen. So sei es auch bei der 
mexikanischen Expedition gewesen. Ueber die gegenwärtige Krisis sprach 
er sich nicht eingehend aus. Er sagte nur: „Si on pouvait faire quelque 
chose du maréchal“ — dann sei wohl ein Ausweg zu finden. Daß er 
nicht mehr Präsident ist, scheint ihm immer das größte Unglück. 
Wir sprachen dann auch über meine bayrische Politik und meine 
Versuche, einen süddeutschen Bund zu gründen, die er natürlich sehr 
gut fand.
	        
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