Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 131 
21. Juli. 
Die gestrige Sitzung der Nationalversammlung bot wenig Interessantes, 
da die Debatte über den Antrag Casimir-Périers 1) auf Donnerstag ver- 
tagt wurde. Cissey verkündete der Versammlung die Ernennung von 
Chabaud-Latour zum Minister des Innern:) und Mathieu Bodet zum 
Minister der Finanzen. 
Paris, 28. Juli 1874. 
Vorgestern erhielt ich von Berlin den Auftrag, Decazes über die schlechte 
Grenzbewachung und die Begünstigung der Karlisten eine unangenehme 
konfidentielle Mitteilung zu machen, in welcher in Aussicht gestellt wird, 
daß wir offiziell diplomatische Schritte gegen Frankreich tun und auch 
andere Maßregeln an der Küste ergreifen würden, wenn der Unfug 
nicht aufhört. 
Ich fuhr nachmittags nach Versailles, nahm einen Wagen nach dem 
Petit Trianon, wo Decazes wohnt. Ich meldete mich zuerst bei der Her- 
zogin, der ich einen Besuch schuldig war. Dann kam der Minister selbst 
und proponierte einen Spaziergang in den Garten. Da sich dieser sehr 
in die Länge zog, so benutzte ich einen Augenblick, wo der Baron Hirsch 
mit der Duchesse ging, und machte meine Eröffnung. Darüber dann langes 
Gespräch. Was daraus werden wird, weiß Gott. Die Franzosen ent- 
schließen sich schwer, ihre Begünstigung der Karlisten aufzugeben, und bei 
uns wird gehetzt. Als ich wegfahren wollte, war es 7 Uhr, und zwei 
Verwandte des Herzogs kamen zu Tisch, der alte Graf St. Aulaire und 
Herr von Langsdorff. Decazes lud mich ein, à la fortune du pot bei 
ihm zu essen. So blieb ich. Es waren noch zwei Kinder bei Tisch und 
ein langer Abbé, der sich mit Interesse nach Dallinguere erkundigte. 
Nach Tisch erzählte Decazes allerlei Kuriosa, so die Idee des Marschalls, 
den Prinzen von Joinville zum Minister des Innern zu machen. Gestern 
schickte ich den Feldjäger fort, hatte deshalb viel zu tun und kam erst um 
½ 7 Uhr zum Spazierengehen. Dann Diner bei d'Orsay und Palais 
Royal, wo ich mit Holstein „Le lit à trois“ sah. Ein furchtbarer Blödsinn. 
Paris, 22. August 1874. 
Gestern Abend gegen 9 Uhr begab ich mich, gefolgt von zwei Landauern, 
nach dem Straßburger Bahnhof, um den König von Bayern zu empfangen. 
Ich wartete mit Beckmann und einem Polizeikommissar bis 9 Uhr 10 Mi- 
nuten. Der König kam mit Holnstein und Lindau, den ich entgegen- 
  
1) Welcher die definitive Anerkennung der Republik bezweckte. 
2) Fourtou hatte infolge von Enthüllungen über die bonapartiftische Agitation 
seine Entlassung gegeben.
	        
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